Rede zur Anhörung vor der Kinderkommission des Deutschen Bundestages am 08.06.2016

Menschen- und Grundrechte des Kindes vollwertig anerkennen und umsetzen 

Ein gemeinsames Projekt von Parlament und Praxis

– Das Haus der Kindesanwälte –

oder

„Neuer Wein in Neue Schläuche“

Kurz- und mittelfristige Maßnahmen zur Unterstützung von Bindungs-, Liebes-, Konflikt- und Glücksfähigkeit (nicht nur) bei Kindern und Jugendlichen (nicht nur) im Kindschafts- und Jugendrecht 

Hans-Christian Prestien

Familien- und Jugendrichter von 1977 – 2009

zwischenzeitlich Rechtsanwalt von 1983 – 1993

Begründer und Ehrenvorsitzender des Verbandes Anwalt des Kindes – Bundesverband

Als Botschafter der Wärme 2003 ausgezeichnet vom Ministerpräsidenten von Thüringen

Mitgesellschafter von ABC-Kindesvertretung GbR

Grundlagen und Ausgangspunkt

  1. Die Familie um das Kind herum ist ein lebendiges System. Jede behördliche oder gerichtliche Reglementierung familiärer Beziehungen mit Dauerwirkung für die Zukunft ist für die Beziehungen zwischen Eltern und Kindern kontraproduktiv bis tödlich, fesselt die Beteiligten und hindert sie an einer flexiblen Weiterentwicklung. Familie „funktioniert“ nicht, sondern lebt in einer ständigen Veränderung von Gefühlen und Handlungsimpulsen im Verhältnis zueinander ohne sich jeweils endgültig aufzulösen, gleichgültig, ob und wie lange körperliche Nähe gelebt wird.
  1. Für das Wohlergehen eines Kindes wie seiner Eltern ist leibliche und seelische Gesundheit von zentraler Bedeutung.
  2. Kinder lernen am Vorbild durch Anschauen und Übernahme von Verhaltensweisen mehr als durch Worte. Auch ohne Worte nehmen sie gefühlsmäßig auf, was die ihnen nahestehende Bindungsperson fühlt und oder von ihnen erwartet. Dabei werden sie für ihre spätere Art der Lebensgestaltung programmiert.
  3. Was wir als Eltern also unseren Kindern zeigen bzw. in welchen Verhältnissen sie aufwachsen, wird sich in der späteren Gesellschaft positiv wie negativ auswirken. Vorbild wird auch, wie wir als Vertreter staatlicher Institutionen mit den Kindern umgehen.
  4. Kämpfe um Kinder, insbesondere die Art der Auseinandersetzungen zwischen ihren Eltern, setzen für das spätere Leben Teufelskreise in Gang. Durch Trennung von Bindungspersonen entstehen insbesondere bei jüngeren Kindern massive, oft sogar Todesängste. Sie nisten sich in der Persönlichkeitsstruktur der Kinder ein, führen zu einem gesteigerten Sicherheitsbedürfnis und machen die späteren Erwachsenen häufig in besonderem Maße manipulierbar. Aus der Art der Auseinandersetzung der Eltern oder Bezugspersonen und dem Verhalten staatlicher Institutionen übernehmen sie die Muster, mit denen sie ihrerseits später Konflikte lösen werden.
  1. Jede durch objektiv rechtswidrige Maßnahmen staatlicher Einrichtungen verursachte Gesundheitsschädigung von Kindern muss die qualifizierte Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen und Schmerzensgeldern durch eine auch dafür zuständige Anwaltschaft für Kinder nach sich ziehen.

Die seit 1977 nicht nur in Deutschland stetig weiterentwickelte und inzwischen gefestigte Rechtslage bei den Menschen- und Grundrechten der Kinder = „Der Neue Wein“ >>  UN-Konvention von 1989:

Art. 2 – Verbot von Diskriminierung

Art. 3 – Gebot für alle Maßnahmen, die für das Wohlergehen von Kindern notwendig sind

Art. 8 – Achtung und Schutz des kindlichen Rechtes, seine Identität einschließlich seiner anerkannten Familienbeziehungen zu behalten

Art 16 – Schutz des Kindes vor willkürlichen oder rechtswidrigen Eingriffen in sein Privatleben, seiner Familie u.a.m.

Art. 18 – Anerkennung der gemeinsamen Verantwortung der Eltern

Art. 9 Abs. 3 – Recht des Kindes auf lebendige Beziehungen zu getrennt lebenden Elternteilen

Art. 37 – Verbot der Folter

Art 12 und 37 – Wahrnehmung des Kindes und Rechtsschutz bei gerichtlichen und behördlichen Verfahren, beschleunigt und besonders ausgeprägt im Falle „freiheitsentziehender Maßnahmen“ (Art.37 d)

Menschenrechtskonvention

Art. 8 Achtung des Familienlebens. Es ist positiv zu unterstützen. Kein Eingriff ohne einen dort niedergelegten Grund.

Grundgesetz

Art. 6 – Grundrecht des Kindes auf Betreuung und Erziehung durch seine natürlichen Eltern, zugleich deren Grundpflicht

Das Bundesverfassungsgericht stellt am 3.11.1982 fest,

„… dass die Dauerhaftigkeit familiärer Sozialbeziehungen heute als entscheidende Grundlage für eine stabile und gesunde psychosoziale Entwicklung des heran­wachsenden Menschen angesehen wird.“ (FamRZ 1982,1182)

Der Fortbestand gemeinsamer Elternverantwortung im Rechtssinne wurde in dieser Entscheidung nicht nur für möglich gehalten, vielmehr setzte das Bundesverfassungsgericht das im Falle der Scheidung der Eltern zu gewährleistende „Kindeswohl“ mit möglichst ungeschmälerten Beziehungen des Kindes zu beiden Elternteilen und deshalb mit der rechtlich fortdauernden gemeinsamen Elternverantwortung schlechthin gleich,

weil für das Kind der Übergang zur unvollständigen Familie dann am wenigsten schädlich ist, wenn seine Bindungen möglichst wenig beeinträchtigt werden“.

Die Pflicht von verheirateten Eltern, die sich trennen oder scheiden lassen, die Fortdauer der gemeinsamen rechtlichen Verantwortung durch entsprechendes eigenes Verhalten zu ermöglichen, wurde besonders betont:

Bei der Ausübung eines so verstandenen fortbestehenden Elternrechts müssen getrennt lebende oder geschiedene Eltern daher bemüht sein, die Kinder nicht mit ihren Konflikten zu belasten. Dazu gehört es insbesondere auch, dass ein Elternteil alles unterlässt, was das Verhältnis des Kindes zum Anderen beeinträchtigen könnte […]“ (BVerfG v. 3.11.1982 – 1 BvL 28/80, FamRZ – 1982, S. 1183)

Eindeutige Formulierungen zum Hintergrund und Wesensgehalt des kindlichen Grundrechts, von seinen natürlichen Eltern betreut und erzogen zu werden, finden sich in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 1.4.2008:

„…Bedarf aber das Kind solcher Unterstützung durch seine Eltern und ist deshalb die Elternverantwortung allein dem Wohle des Kindes verpflichtet wie geschuldet, dann hat das Kind auch einen Anspruch darauf, dass zuvörderst seine Eltern Sorge für es tragen, und ein Recht darauf, dass seine Eltern der mit ihrem Elternrecht untrennbar verbundenen Pflicht auch nachkommen. Dieses Recht des Kindes findet insofern in der elterlichen Verantwortung seinen Grund und wird damit von Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG geschützt. Es steht in engem Zusammenhang mit dem Grundrecht des Kindes auf Schutz seiner Persönlichkeit aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG, denn es sichert dem Kind den familiären Bezug, der für seine Persönlichkeitsentwicklung von Bedeutung ist. Die persönliche Beziehung zu seinen Eltern, ihre Pflege, Hilfe wie Zuwendung tragen wesentlich dazu bei, dass sich das Kind zu einer Persönlichkeit entwickeln kann, die sich um ihrer selbst geachtet weiß und sich selbst wie andere zu achten lernt. ….“

Im Hinblick auf diese Grundrechtssituation hat das BVerfG bereits 1968 in einer grundlegenden Entscheidung zum stets bei Kindschaftsverfahren zu beachtenden verfassungsrechtlichen Prinzip der Verhältnismäßigkeit ausgeführt:

….. Das bedeutet nicht, dass jedes Versagen oder jede Nachlässigkeit den Staat berechtigt, die Eltern von der Pflege und Erziehung auszuschalten oder gar selbst diese Aufgabe zu übernehmen; vielmehr muss er stets dem grundsätzlichen Vorrang der Eltern Rechnung tragen. Zudem gilt auch hier der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Art und Ausmaß des Eingriffs bestimmen sich nach dem Ausmaß des Versagens der Eltern und danach, was für das Interesse des Kindes geboten ist.

Der Staat muss daher nach Möglichkeit versuchen, durch helfende, unterstützende, auf Herstellung oder Wiederherstellung eines verantwortungsbewussten Verhaltens der natürlichen Eltern gerichtete Maßnahmen sein Ziel zu erreichen …“(BVerfGE 24, 119 ff, 144 = NJW 1968,2235; dazu auch BVerfG NJW 1982,1379)

Und doch wird durch vielfältige Studien und einer wachsenden Unruhe in der Bevölkerung deutlich, dass die praktische Gewährleistung dieser Grundlagen im Konfliktfall oft nicht gelingt. Nach behördlichen oder gerichtlichen Interventionen zum Schutz der Kinder verbleiben häufig erhebliche, auch generationsübergreifende Gefahren für die betroffenen Kinder und damit für die Bevölkerung insgesamt.

Ich nehme Bezug auf den Artikel im Magazin der Süddeutschen Zeitung Nr. 50 aus 215: „In fremden Händen“ Allein die darin wiedergegebe Kritik an den behördlichen Inobhutnahmen von Kindern und maßgebenden gesetzlichen Bestimmungen verlangt eine grundlegende Überprüfung. Immerhin handelt es sich jährlich um über 50.000 durch eine Behörde ohne vorherige richterliche Kontrolle veranlasste Trennungen von Kindern von ihren Eltern.

Etwa 200.000 Kinder dürften jährlich von Trennungen der Eltern betroffen sein. Artikel in den Printmedien und Fernsehsendungen der jüngsten Zeit machen auf leidvolle Situationen für Kinder wie Erwachsene aufgrund nicht gelöster Konflikte zwischen Eltern mit und ohne Trauschein aufmerksam, wie z.B. „Der Spiegel“ in Heft 52 aus 2015 oder MAZ vom 2.6.2016.

Die mangelnde Effizienz gerichtlicher Interventionen im Hinblick auf eine friedliche Konfliktlösung zwischen den Eltern und Beibehaltung einvernehmlicher am Kind orientierter Beziehungen des Kindes zu beiden Elternteilen wird in mehreren Studien deutlich:

In der im Auftrag der Bundesregierung von Prof. Dr. R. Proksch 2000 durchgeführten Begleitforschung zur Umsetzung der Reform des Kindschaftsrechts von 1998 wird festgestellt, dass „67,5 % der Eltern […] das Gerichtsverfahren als förmlich“ erleben, „Streitpunkte mit dem (Ex-)­Partner […] danach nur zu 24,5 % geklärt werden“ konnten und sich in „23,5 % der Fälle […] der Ärger mit dem Partner durch das Verfahren noch erhöht“ hat.

Im Rahmen von familiengerichtlichen Verfahren haben die betroffenen Eltern nach dieser Untersuchung durch das Jugendamt „in 25% der Fälle keine Informationen zur Unterstützung der Eltern-Kind-Situation erhalten. Bei 10% der Fälle wurden die erhaltenen Informationen als überhaupt nicht und in weiteren 15% nur wenig hilfreich empfunden.“ (Zwischenbericht Mai 2000, Teil 2, S.125 bzw.123)

Gravierende Hinweise auf eine häufig anzutreffende unzureichende oder fehlerhafte Ausübung der staatlichen Inhaber des Wächteramtes über elterliches Verhalten fördert auch die KiMiss-Studie der Universität Tübingen 2012 zu Tage. Diese Studie wurde zur Lebenssituation von Trennungs- und Scheidungskindern in Deutschland aus der Sicht von Elternteilen, die von ihren Kindern getrennt leben und weniger Kontakt zu diesen haben, als sie sich wünschen. In Bezug auf 1426 Kinder gaben 80% der Eltern an,

„…dass ihnen jede Form einer fairen und gleichberechtigten Verteilung der Elternrollen verweigert werde. Vorenthaltung relevanter Informationen über das Kind, Unterbindung des Kontakts zum Kind und Behinderung von Umgangsregelungen treten in über 70 % der Fälle auf. Viele dieser Probleme lassen sich auf eine monopolisierte Sorgerechtsregelung zurückführen, wenn einer der Elternteile darüber verfügen kann, ob und in welchem Umfang der andere Elternteil sich um ein gemeinsames Kind kümmern oder Kontakt zu ihm pflegen kann.

75 % der Befragten sehen ihr Kind in der geschilderten Trennungs- oder Scheidungssituation einer Form von Kindesmissbrauch oder –misshandlung durch den anderen Elternteil ausgesetzt, 49 % verwenden diese Begriffe auch in ihrer direkten Form. Etwa 20 % der Befragte geben an, dass das Kind infolge der Trennungs- oder Scheidungssituation vollständig von ihnen entfremdet sei, oder keinen Kontakt mehr mit ihnen habe oder wolle…. Die Ergebnisse deuten auf systematische Probleme im familiengerichtlichen Bereich hin. Täuschung von Gerichten, Falschbeschuldigungen und Beeinflussung von Verfahren und Verfahrensbeteiligten werden in fast jedem zweiten Fall genannt. Eine Kommerzialisierung des familienrechtlichen Systems durch Rechtsanwälte und Sachverständige wird kritisiert. Betroffene berichten von Willkür und Inkompetenz von Behörden, oder dass sie psychisch oder finanziell zerstört und um einen der wichtigsten Bestandteile ihres Lebens beraubt worden seien. Die Studienergebnisse verlangen, die Begriffe „Kindeswohl“, „Kindeswohlgefährdung“, „Kindesmissbrauch“ und „Kindesmisshandlung“ zu definieren. Insbesondere scheint die Klärung der Frage notwendig, in welchem Ausmaß die bestehende Rechtslage oder Rechtspraxis einen Sorgerechtsmissbrauch erlaubt, der im Grunde einem Missbrauch oder einer Misshandlung des anderen Elternteils gleichkommt und in seiner Relevanz für das Kind und dessen psychosoziale Entwicklung beurteilt werden müsste.“

  • „Szenarien der Entfremdung im elterlichen Trennungsprozess“ in Papa-ya Sonderheft 2012, S. 6ff von Wolfgang Klenner;
  • „Im Namen des Kindes“ von Uwe-Jörg Jopt, Verlag Rasch und Röhring 1992
  • „Wechselmodell: Psychologie-Recht-Praxis“ von Hildegund Sünderhauf, Springer VS 2013

Nachhaltige und häufig sogar generationsübergreifende Auswirkungen eines trennungsbedingt fortdauernden kommunikationslosen und spannungsgeladenen Verhältnis der Eltern zueinander oder einer teilweisen oder vollständigen Ausgrenzung eines Elternteils vom Leben des Kindes sind durch vielfältige Studien, wissenschaftliche Veröffentlichungen ebenso belegt wie durch Buchveröffentlichungen über das Leid ehemals von einem Elternteilverlust betroffenen heute erwachsenen Kindern.

Zum Beispiel:

  • „Die verletzte Tochter – Wie Vaterentbehrung das Leben prägt“ von Jeannette Hagen
  • „Manchmal mein‘ ich, ich hätt‘ auf der Welt nix verloren. Scheidungskinder erzählen“ von Otto R. Gaier, Hoffmann und Campe;
  • „Trennungsleid im Spannungsfeld zwischen Partnerschaft und Elternschaft“ von Uwe-Jörg Jopt in M. Franz/A. Karger (Hrsg) „Scheiden tut weh“ V&R Verlag 2013, S. 124 ff.189 ff).
  • „Kinder- und Jugendgesundheitssurvey (KIGGS)“, den das Robert-Koch-Institut im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit 2003-2006 durchgeführt hat (vorgestellt im September 2012 auf dem „Männerkongress“ der Universität Düsseldorf in in M. Franz/A.Karger (Hrsg) „Scheiden tut weh“ V&R Verlag 2013, S. 124 ff.).

Danach bestehen besondere Risiken für durch Trennung der Eltern betroffene Kinder „nicht zuletzt in den Fragen, wie gut es den Eltern gelingt, ihre Konflikte im Zuge des Trennungsgeschehens konstruktiv und zukunftsorientiert zu bearbeiten, sowie ob es gelingt, den Kontakt zu dem Elternteil, der die Familie verlässt, aufrechtzuerhalten. Bei über 30 % der der Trennungen, in die Kinder involviert sind, gelingt dies nicht“ (Robert Schlack aaO)

  • „Familien nach der Scheidung“ eine Langzeitstudie; Anneke Napp-Peters:, Verlag A. Kunstmann 1995
  • „Der vaterlose Mann“ in „Neue Männer – muss das sein?“; Matthias Franz: Vandenhoek & Ruprecht 2011, S. 113 ff;
  • „Macht Kontaktabbruch zu den leiblichen Eltern Kinder krank? – Eine Analyse wissenschaftlicher Literatur“ von Anna Prinz und Ursula Gresser in NZFam 2015,989 ff;
  • „Auswirkungen früher Trennungen“ dort auch zu den Folgen von Cortisol-Belastungen von Dr. med. Rainer Böhm, Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, Schwerpunkt Neuropädiatrie in „Scheiden tut weh a.a.O. S. 163 ff
  • „Das verflixte 7. Jahr ….“ Figdor; Aktuelle Beiträge zur Kinder- und Jugendhilfe 54, Berlin 2006, S. 123 ff,

Die Daten bekommen im Lichte der Hirnforschung, z B. bei Gerald Hüther: „Biologie der Angst – Wie aus Stress Gefühle werden“, V& R 2014 und der Erkenntnisse auf dem Gebiet der Zellforschung z. B. bei Bruce Lipton: „Intelligente Zellen“ oder Klaus Medicus: „Quantenintelligenz“, KOHA-Verlag 2012 im Hinblick auf generationsübergreifende Folgen ein besonderes Schwergewicht.

Auch die neueren Erkenntnisse zur Genetik und Epigenetik untermauern die Wichtigkeit kindheitslang fortdauernden guter Beziehungen des Kindes zu seinen beiden natürlichen Elternteilen.

Hierzu mag Prof. Dr. Peter Beyerlein, Technische Universität Wildau persönlich angehört werden

Eine Bestandsaufnahme, welcher Art die auch von der KiMiss-Studie vermuteten „systematischen Probleme im familiengerichtlichen Bereich“ sind und wodurch Abhilfe geschaffen werden kann.

Sind internationale wie grundrechtliche Vorgaben zur Verwirklichung einer vollwertigen Rechts- und Subjektstellung im Krisenfall eines jeden Kindes für mich der „Neue Wein“, so können Normen des Kindschaftsrechts, die zur praktischen Umsetzung in Konfliktsituationen bestimmt sind, entsprechend als „Schläuche“ bezeichnet werden, um in einem biblischen Bild zu bleiben.

Die spannende Frage also für mich, welche „Schläuche“ so alt sind, dass sie den „Neuen Wein“ verderben. Schon ein erster Blick nährt den Verdacht, dass das Misslingen so vieler Interventionen – wie z B. von Proksch oder der KiMiss Studie festgestellt – unabhängig von einem Verschulden der als Wächter eingesetzten Familienrichter „alten Schläuchen“ = überholten und kontraproduktiven Rahmenbedingungen zuzuschreiben ist.

Zentrale Normen und Begriffe wie „Kindeswohl“ stammen immerhin aus einer Zeit, in der das Kind im Familienrecht nicht als Rechtsträger, sondern als Zuordnungsobjekt „elterlicher Gewalt“ angesehen wurde (bis 1980 bzw. 1998). Auch bei und nach der letzten Kindschaftsrechtsreform von 1998 mag eine der früheren Auffassung verhaftete eher unbewusst fortwirkende Einstellung dem Kind gegenüber ebenfalls nachteilige gesetzgeberische Veränderungen geprägt haben (zu den Einzelheiten der Verschlechterung gesetzlicher Rahmenbedingungen siehe die Auflistung bei www:abc-kindesvertretung.de).

Mit meinem Vortrag möchte ich zugleich für den Verband Anwalt des Kindes – Bundesverband beitragen, dass Sie als Abgeordnete des Volkes „alte Schläuche“ = einer Verwirklichung von Menschen- und Grundrechten des Kindes entgegenstehende Rahmenbedingungen so schnell es irgend geht austauschen und durch neue ersetzen können.

Damit sollen direkt erste Ideen verbunden werden, wie die „Neuen Schläuche“ aussehen sollten, damit das Ziel einer gesunden friedfertigen und glücklichen Gesellschaft näher rücken kann.

Zur Position des/der heute für das Kindschaftsrecht zuständigen Familienrichters/Familienrichterin

Im Sinne von Art 6 Abs. 2 und 3 GG ist die Einstellung und Handeln der im Kindschaftsrecht tätigen Richter und Richterinnen von zentraler Bedeutung. Von ihm/ihr hängt es ab, ob das Verhältnismäßigkeitsprinzip beachtet und Eingriffe in Kindesrechte nur dann und solange überhaupt geschehen, wie es auch unter Einsatz aller möglichen Unterstützungsmaßnahmen unumgänglich ist, Kinder vor größerer Schädigung zu bewahren.

Nach meiner/unseren Feststellungen sind die heute amtierenden Familienrichter und -richterinnen durch noch geltende Rahmenbedingungen in mehrfacher Hinsicht an einer effektiven Sicherung der geltenden Menschen- und Grundrechte des von Elternkonflikten oder sonstige Gefährdungen Kindes behindert:

Die Übertragung der Funktion eines Familienrichters durch das Präsidium ist nach dem GVG noch nicht an eine besondere fachliche Vorbereitung gebunden.

Der Nachweis einer Aus- oder Weiterbildung in den Wissenschaften, die die Erfassung einer Kindsituation ermöglicht, ist nicht vorgesehen; auch nicht besondere Kenntnisse über mögliche und vorhandene Hilfs- und Unterstützungsmöglichkeiten der Jugendhilfe;ebenso wenig eine gezielte Ausbildung, um Haltung, Einstellung und situationsbedingte Möglichkeit von Eltern oder Elternteilen einschätzen zu können. Schließlich fehlt eine gezielt erworbene Befähigung zu einer zum Frieden führenden Moderierung von Konfliktsystemen.

Dies nimmt dem Juristen/der Juristin entgegen Art. 97 GG in der Regel die Möglichkeit, verantwortlich Konfliktparteien zur einvernehmlichen Ausübung der elterlichen Verantwortung zu(rück) zu führen, geeignete Jugendhilfemaßnahmen zur Verhinderung von Trennungen der Kinder von Eltern oder Elternteilen zu veranlassen und das für die konkrete Situation des Kindes oder Jugendlichen geeignete Mittel nach Art, Dosierung und Dauer im Falle einer Entscheidung passend für die konkrete kindliche Bedürftigkeit auszuwählen.

Vielmehr verlagert sich die Verantwortung auf außenstehende Dritte wie Mitarbeiter der Jugendhilfe, Verfahrensbeistände, Sachverständige, deren Fremdbewertung dann mehr oder weniger unüberprüfbar übernommen werden (siehe Studie der Universität Hagen zur Verwendung unbrauchbarer, weil mangelhafter Gutachten)

Ein weiteres Hindernis ist die heute noch fehlende Zuständigkeit des Familienrichters auch für Jugendsachen.

Verfahren nach dem JGG sind wie Interventionen zum Kindschaftsrecht inhaltlich „Erziehungsverfahren“. Der Jugendrichter soll Jugendliche, die strafrechtlich auffällig geworden sind, mit geeigneten erzieherisch Mitteln unterstützen, ihr weiteres Leben verantwortlich ohne rechtswidriges Verhalten zu gestalten.

Kindschaftsverfahren haben die Herstellung oder Wiederherstellung verantwortlichen erzieherischen Verhaltens der Eltern im Blick.

Erkenntnisse der Kriminologie wie eigene Erfahrungen als Familien- und Jugendrichter weisen auf einen engen Zusammenhang zwischen Problemen der Eltern im Zusammenhang ihrer Trennung voneinander oder einer Vernachlässigung von Kindern einerseits und Kinder- und Jugenddelinquenz andererseits hin. Ostendorf, Hinghaus und Kasten „Kriminalprävention durch das Familiengericht“ in FamRZ 2005, 1514 ff und Holldorf „Schwerpunkt Kinderdelinquenz – Keine Strafe ohne Hilfe – Für einen Perspektivwechsel bei der Betrachtung von Kinder- und Jugenddelinquenz“ in ZJJ 2012,363 ff. machen eindrucksvoll deutlich, dass die gerichtliche Begleitung in beiden Bereichen in eine Hand gehören.

Die entgegen der Intention des § 34 Abs. 2 JGG regelmäßig fehlende Zuständigkeit des Kindschaftsrichters/der Kindschaftsrichterin auch für Verfahren über jugendliche Delinquenz hindert ihn/sie, zwischen beiden maßgerecht zu switchen, bzw. die Folgen eigener fehlerhafter früherer Interventionen im Bereich des Kindschaftsrechts in den Jugendverfahren hautnah als fortdauerndes eignes Lernfeld zu erfahren.

Vorschlag: In Änderung des GVG Zusammenführung von Kindschaftssachen und Jugendsachen im Jugendgerichtsgesetz (JGG). Schaffung eines einheitlichen „Erziehungsgerichts“.

Erweiterung des § 37 JGG dahin, dass der Einsatz eines Richters durch das Präsidium des Gerichts im „Erziehungsgericht“ an den Nachweis einer noch zu bestimmenden Weiterbildung und regelmäßigen Fortbildung im Bereich der Erziehungswissen-schaften und Psychologie gebunden ist.

Überkommene Vorschriften verlangen heute immer noch von dem/von der Familienrichter/Familienrichterin, im offenen Widerspruch zu den Grundrechten des Kindes auf Eltern und dessen Abwehrrechten gegen unangemessene Eingriffe sowie entgegen internationaler Vorgaben Grundrechte des Kindes aufzuheben oder einzuschränken:

  1. So schreibt § 1671 BGB vor, bei entsprechender Elternvereinbarung einen von ihnen rechtlich aus seiner Grundpflicht dem Kind gegenüber = „elterliche Sorge“ ganz oder teilweise zu entlassen, wobei eine inhaltliche richterliche Überprüfung nicht einmal zulässig ist, es sei denn, das über 14-jährige Kind würde einer dadurch erfolgenden Verkürzung seiner Rechte ausdrücklich widersprechen.
  2. 1626 a BGB macht im Widerspruch zum Grundrecht des Kindes bei nicht miteinander verheirateten Eltern die rechtliche Elternverantwortung des Vaters von der Gestattung durch die Mutter oder durch das Gericht abhängig, statt von Amts wegen bei Elternteilen, die sich nicht aktiv um ihre Kinder kümmern wollen oder können, die Einhaltung ihrer Grundpflicht dem Kind mit allen rechtlichen Mitteln durchzusetzen.
  3. 1684 BGB erlaubt Beziehungs- und damit auch Erziehungseinschränkungen oder gar dauerhafte Unterbrechungen zu Lasten des Kindes, ohne dass der Nachweis einer drohenden Gefahr oder Schädigung entsprechend der Trennungssituation von beiden Eltern vorliegen muss. (zu der strengen Rechtsprechung des BVerfG v. 22.5.2014 – 1 BvR 2882/13; v. 7.4.2014 – 1 BvR 3121/13; v. 24. 3. 2014 – 1 BvR 160/14; v. 8.3.2012 _ 1 BvR 206/12; Auflistung auch bei www:abc-kindesvertretung.de „Grundlagen“) 

Vorschlag: Aufhebung der §§ 1671 und 1626a BGB, 155 a FamFG.

Die Elternverantwortung = Grundpflicht ist nicht disponibel (Art.19 Abs. 2 GG im Hinblick auf das entsprechende Grundrecht des Kindes) und tritt mit Feststellung der Elternschaft ein.

Lediglich wird ihre Ausübung in Einzelbereichen nach Maßgabe der §§ 1666,1666a BGB und mit regelmäßiger Überprüfung übertragbar.

Unterbleibendes Engagement von Elternteilen (Väter), sich aktiv an der Erziehung und Betreuung zu beteiligen, löst von Amts wegen Ermittlungen und ggfls Maßnahmen nach §§ 1666,1666a BGB, 157 FamFG, ggf. auch 171 StGB aus.

Die verschiedenen Eingriffsermächtigungen im Kindschaftsrecht sind für mich vergleichbar mit Schubladen eines „Gift- oder Medikamentenschrankes“.

Die seit alters her bestehende Existenz einer Vielzahl von getrennten und scharf abgegrenzten gerichtlichen Regelungsmöglichkeiten = Eingriffsermächtigungen in kindliche wie elterliche Rechte sind symptombezogen und behindern oder verstellen den Blick auf die Ursache der Verletzung kindlicher Rechte.

In dem jeweils eng begrenzten symptombezogenen Einsatzfeld für das einzelne Verfahren kann die Komplexität der kindlichen Situation und der hinter den Symptomen stehenden eigentlichen Ursachen von dem/von der berufenen Richter/Richterin weder ganzheitlich erfasst noch entsprechend Ursache und Wirkung der zutreffenden Vorschrift zugeordnet werden. Er/sie ist durch die Antragstellung bzw. eigene Verfahrenseröffnung zu einer konkreten Vorschrift auf den dadurch gewählten Ausschnitt der kindlichen Realität festgelegt und nur in diesem Ausschnitt auch für eine eingreifende Entscheidung legitimiert.

Dies verschärft sich in der Beschwerdeinstanz noch, da hier nicht, wie in der 1. Instanz möglich, förmlich ein weiteres Verfahren zusätzlich eröffnet werden kann.

§ 1684 BGB ist als Vorschrift zur Regelung von Umgängen des Kindes mit einem Elternteil ein anderes Verfahren als ein Verfahren zur elterlichen Sorge z B nach § 1628, der einen Stichentscheid des Gerichts bei Elternkonflikt in Einzelfragen zulässt. Die weitergehende Ermächtigung des § 1671 BGB, einzelne Bereiche der elterlichen Sorge auf einen von ihnen zu konzentrieren oder nach § 1666 auf Dritte zu übertragen ist wiederum ein anderes, von § 1684 getrenntes und wie bei § 1628 BGB nur auf Antrag zu eröffnendes Verfahren. Auch ein Ermittlungsverfahren nach § 1666 BGB, das die Überprüfung der Handhabung der Sorge durch die Eltern zulässt, ist scharf von einem Verfahren zur Umgangsgestaltung abgegrenzt.

In gleicher Weise sind in einzelnen Vorschriften vorgesehene Interventionen bei Pflegekindverhältnissen als unterschiedliche Verfahren voneinander getrennt. So zum Beispiel nach § 1685 BGB das Verfahren zur Beziehungsgestaltung einerseits, nach §§ 1632 Abs.4 BGB und/oder § 1666 BGB zum Verbleib des Kindes bei den Pflege-Eltern andererseits.

Wie veröffentlichte Entscheidungen zeigen, gerät dabei die inhaltliche Wechselbezüglichkeit verschiedener Bereiche aus dem Blick. Auf die Intention und notfalls Eingriffsermächtigung aus der jeweils anderen Vorschrift kann nicht ohne weiteres zurückgegriffen werden.

Wenn die Lösung des kindlichen = familiären Problems in der Praxis bis hin zur erfolglosen Vollstreckung zunächst ausschließlich in diesem Bereich des § 1684 BGB gesucht wird, wird das Symptom der Kontaktstörung zur angeblichen Ursache des Problems gemacht.

Tatsächlich ist Ursache der Kontaktstörung bis hin zu einer ablehnenden Haltung des Kindes jedoch regelmäßig die vom Kind aufgenommene Haltung und Einstellung seiner Bezugsperson.

Im Bild zu sprechen: Beim Aufleuchten der Öl-Warnanzeige im Auto wird die Birne entfernt.

Die Folge: Für die Dauer eines allein auf quantitativen Umgang gerichteten Verfahrens ebenso wie im Falle einer regelnden Entscheidung bleibt das Kind bei fortdauernder Unversöhnlichkeit der Eltern im Loyalitätskonflikt gefangen und in seinem Grundrecht auf einvernehmliche Erziehung durch seine Eltern verletzt bzw.an einer freien Entfaltung der Persönlichkeit (Art.2 GG) gehindert.

Die willkürliche Trennung der Behandlung kindlicher Symptomatik oder Beziehungssituation bei z.B. Pflegekindverhältnissen in voneinander abgegrenzte Verfahren wird durch die mangelnde Qualifizierung des Richters/ der Richterin (s.o.) erheblich verschärft. Mangels Ausbildung zu Fragen kindlicher Bedürftigkeit und Bewertung elterlichen Verhaltens verstärkt sich die Wahrscheinlichkeit, dass durch eine falsche Wahl der Schublade des „Giftschranks“ oder einer falschen Dosierung der dort eingeräumten Möglichkeiten das Verfahren zu einer weiteren Schädigung des Kindes führt, statt einen Gesundungsprozess herbeizuführen oder zu unterstützen.

Die Dringlichkeit möchte ich mit dem Bild eines „Gift- oder Medikamentenschranks“ untermalen:

Können Sie sich vorstellen, ein Medikament unbesorgt einzunehmen, das Ihnen bei einer Lungenentzündung von einem Bäcker empfohlen und in der Apotheke von einem Handwerker ohne Beipackzettel mit dem Hinweis ausgehändigt wurde, dass dies dem „Männer“- bzw. „Frauenwohl“ bei Einnahme von 3x 5 Tabletten täglich am besten dient?

Vorschlag: Zusammenführung aller einzelnen Interventionsnormen des BGB im Bereich elterlicher Verantwortung zu einer einzigen Handlungs- und Eingriffsermächtigung in Form der bestehenden §§ 1666,1666a BGB.

Damit komme ich zu dem aus meiner Sicht gefährlichsten Begriff im Kindschaftsrecht:

„Kindeswohl“ ist wie „Männer– oder Frauenwohl“ inhaltlich positiv nicht definierbar.

Der im Zentrum des Kindschaftsrechts stehende Begriff ist vielmehr zwangsläufig Ausgangspunkt mehr oder weniger unbewusster Wertmaßstäbe des ihn anwendenden Erwachsenen. Seine Verwendung bei Verfahrensgestaltung und zur wesentlichen Begründung von Entscheidungen des Gerichts erscheint damit als objektiv unüberprüfbare Willkür.

Verlauf und Ausgang eines Verfahrens sind von der sich auf diesen Begriff berufenden Person, der jeweiligen Einstellung des/der amtierenden Richters/Richterin abhängig.

Das Kindschaftsrechtsverfahren wird damit zu einem rechtsstaatlich unzulässigen Glücksspiel (s. dazu Dettenborn und Walter in Familienrechtspsychologie, 2. Auflage Verlag Ernst Reinhard 2015).

Entsprechendes gilt aus meiner Sicht für den weiteren in der Rechtsprechung verwandten Begriff „Bindungstoleranz (s. dazu Kemal Temizyürek: „Das Stufenmodell der Bindungsfürsorge“ Zeitschrift für Kindschaftsrecht und Jugendhilfe 2014, 228 ff).

Vorschlag: Ersetzung des Begriffs „Kindeswohl“ durch „Kindesrechte“ in allen Vorschriften des Kindschafts- und Jugendhilferechts, sowie Verfahrensrechts.

Die Zuweisung kindfremder Angelegenheiten wie Verfahren zum Güterrecht, zu der materiellen Versorgung der Eheleute nach Scheidung, auf Wohungszuweisung, Ausgleichung ehebedingter Verbindlichkeiten oder zu Fragen des Gewaltschutzes verstellt dem/der Richter/Richterin den Blick auf die für eine gesunde Kindesentwicklung entscheidenden Faktoren.

Für die im Konflikt befindlichen Eltern hat der Besitz des Kindes quasi die Bedeutung eines Faustpfandes. Die Zuweisung der Betreuung des Kindes durch ein und denselben Richter ist zugleich der Schlüssel für die Sicherung individueller materieller Interessen von Elternteilen gegenüber dem jeweils anderen.

Vorschlag: Im Amtsgericht wird eine neue Abteilung für die in § 23 b aufgeführten Kindschaftssachen geschaffen, solange es das im JGG zu verankernde „Erziehungsgericht“ noch nicht gibt.

Mangelnde Öffentlichkeit der Verhandlungen und Entscheidungen des Gerichts hindert im Kontext und für die Dauer der Verfahren „die staatliche Gemeinschaft“ entgegen Art 6 Abs. 2. S. 2 GG an jeglicher Ausübung des Wächteramtes über elterliches Verhalten wie richterliches Vorgehen und Entscheiden und nimmt damit zugleich dem/der Richter/Richterin die Reflexionshilfe über sein/ihr Handeln.

Vorschlag: Die Verhandlungen und Entscheidungen in Kindschaftsverfahren sind öffentlich. Die Öffentlichkeit kann bei der Anhörung von Kindern und Betreuungspersonen der Kinder wie Lehrkräfte, Betreuern u.a.m. ausgeschlossen werden.

Durch eine noch fehlende unabhängige fachlich kompetente Anwaltschaft für das Kind wird das betroffene Kind gehindert, wie § 103 GG verlangt, in jeder Lage des Verfahrens auf den Verlauf aktiv Einfluss zu nehmen, sich ganzheitlich den über seine Rechte verfügenden Personen zur Kenntnis zu bringen und die Verwirklichung seiner Grundrechte durch Eltern wie Gerichtsbarkeit wirksam einzufordern bzw. Abwehrrechte gegen unangemessene Verkürzungen seiner Rechte geltend zu machen.

Vorschlag: Etablierung des „Hauses der Kinderanwälte“ als einer Körperschaft des öffentlichen Rechts zur Gewährleistung eines durchgängigen qualifizierten Rechtsschutzes für Kinder in allen behördlichen und gerichtlichen Verfahren. Zentrale Funktionen: Rekrutierung, Benennung und Überwachung einschließlich Abberufung von interdisziplinär kompetenten Kindesanwälten (Team entsprechend Konzept des DKSB von 1983) in gerichtlichen Kindschafts- und Jugend-, wie behördlichen Verfahren.

§ 159 Abs. 1 FamFG, nach dem bei einer Entscheidung der „Wille des Kindes“ mehr oder weniger ausschlaggebend zu berücksichtigen sein soll, verleitet – wie die veröffentlichten Entscheidungen der Gerichte belegen – zu einer in sich das Kind gefährdenden Form seiner Einbeziehung: Dazu Prof Dr. W. Klenner in FamRZ 2003, 2015:

„Als ich § 50 b FGG zum ersten Mal gelesen hatte, fragte ich mich, welcher Teufel wohl den Gesetzgeber geritten haben mag, als er formulierte: „oder der Wille des Kindes für die Entscheidung von Bedeutung sind…“, wo doch die Philosophen seit der Antike darüber nachdenken, was menschlicher Wille und Willensfreiheit bedeuten, ohne bisher zu einem schlüssigen Ergebnis gekommen zu sein.

….Weil Kinder unter dem Druck der Erwachsenen eine Antwort geben, von der sie meinen, dass der Fragesteller sie hören wolle, nur um die lästige Fragerei loszuwerden, erwies sich die Einführung des Kindeswillens in die gerichtliche Entscheidung im Großen und Ganzen als Fiktion. Denn im tiefsten Grunde ihres Herzens wünschen diese Kinder, beide Eltern möchten ihnen wieder zusammen und für immer zur Verfügung stehen…..“

Letzteres habe ich fast ausnahmslos bei allen Kindern, mit denen ich von 1977 bis 2009 beruflich Kontakt hatte, so erleben können.

(Zur unangemessenen Einbeziehung von Kindern durch die Gerichte siehe Feststellungen Deutsches Institut für Menschenrechte 2015, Annemarie Graf-van Kesteren: „Kindgerechte Justiz – Wie der Zugang zum Recht für Kinder und Jugendliche verbessert werden kann).

In den Urteilen der Gerichte zur Zuordnung oder Kontaktgestaltung soll die Willensäußerung des Kindes als Ausübung eines „Selbstbestimmungsrechts“ für die Entscheidung beachtlich sein. Ein solches Selbstbestimmungsrecht von Kindern wird jedoch nicht einmal im Hinblick auf Auswahl von Lehrkräften, Betreuern, Vormündern, Pflegeeltern angenommen.

Welche Form der Einbeziehung von Kindern ihrem Anspruch auf Achtung der Menschenwürde und Rechtssubjekt gerecht wird ?

Prof. Dr. Wolfgang Klenner Bochum hat uns 8 Familienrichter ab 1977 seminarförmig fast 4 Jahre lang – aus heutiger Sicht als grandioses Geschenk des Himmels – auf meine Bitte begleitet. Ich erinnere mich an meinen großen Schreck, als er uns noch im Juli 1977 nahelegte, Kinder immer zur Kenntnis zu nehmen, wenn es zu einer Entscheidung über Sorge- oder Umgang kommen musste, jüngere Kinder bis zum Alter von 12-14 Jahren jedoch nicht zum Gericht zu holen und von ihnen insbesondere keine verbale Entscheidungshilfe zu erwarten (vgl. Prestien: „Kinderschutz und Recht“ Vortrag auf dem Kinderschutztag in Ulm 1979 in www:v-a-k.de)

Sein Vorschlag, Hausbesuche möglichst in Anwesenheit beider Elternteile durchzuführen wurde von mir in dieser Zeit als Familienrichter ausnahmslos aufgegriffen.

Mit einem völlig unerwarteten Ergebnis:

Hatte ich vorher selbst Zweifel an der Sinnhaftigkeit dieser Form der Einbeziehung des Kindes lediglich im Hinblick auf Art 1 und 103 GG aus Achtung vor dem jungen Menschen zurückgestellt, so wurde ich gründlich eines Besseren belehrt.

Persönlich von der Situation des Kindes gefühlsmäßig erfasst zu werden, seine Not in dem – wie Prof. Dr. Jopt es später formulierte – super-gau aufgrund der Elterntrennung – zu spüren oder zu erahnen, seine Hilflosigkeit zu erfassen; zugleich auch die Not und Hilflosigkeit beider Elternteile hautnah zu spüren, hatte nicht erwartete Konsequenzen. Hatten Eltern geglaubt, das Kind vor den Belastungen des Hin- und Her-Pendelns bewahren, ja es mitunter sogar vor einem Elternteil anderen „retten“ zu müssen, so erlebten sie bei dem Hausbesuch, ebenso wie ich als Richter, hautnah, dass Körpersprache und Signale des Kindes etwas Anderes ausdrückten und regelmäßig deutlich werden ließen, dass der jeweils andere Elternteil vom Kind nach wie vor geliebt wurde; die Nähe zu ihm von besonderer Bedeutung war.

Dabei habe ich gelernt: Liebe und Zuneigung lassen sich ebenso wenig wie andere Gefühle in Worte mitteilen. Sie zeigen sich aber dem Beobachter. Kein Kind konnte in diesem Geschehen seine Gefühle so unterdrücken, dass nicht seine Not sichtbar und fühlbar wurde, ganz anders, als ob ein Briefträger die Post bringt.

Verblüffend und unerwartet auch die dadurch verursachte Veränderung bei den Eltern:

Unsicherheit und Hilflosigkeit machten sich breit, insbesondere auf meinen Hinweis hin, dass die eben noch unausweichlich erscheinende Entscheidung die Not des Kindes kaum wenden, den Konflikt im Dazwischenstehen zwischen unversöhnlichen Eltern eher noch verschärfen könnte.

Prof. Klenner hat später formuliert: Bei dem Hausbesuch haben die eben noch isoliert gegeneinander Position beziehenden Elternteile die Unschuld des Streitens verloren.

Sie haben erlebt, dass nicht nur sie durch das Verhalten der Kinder überrascht waren, sondern dass dies auch ein Dritter gesehen hat.

Damit änderte sich offenbar die Konfliktdynamik. Was eben noch unlösbar erschien, veränderte sich mit veränderter Motivationslage, konnte sich oft für beide Elternteile auf Dauer trotz Abgrenzung entlastend auswirken. Die eben noch bestehende absolute Angst, das Kind zu verlieren, wich einer zunehmenden Sicherheit.

Diese in nahezu allen Fällen entkrampfende Vorgehensweise führte zur Zunahme der Belassung gemeinsamer elterlicher Gewalt wie 1980 zu meinem Vorlagebeschluss an das BVerfG zur grundsätzlichen Ermöglichung fortdauernder gemeinsamer Sorge. Bis 2009 war ich in keinem Fall genötigt, Zwangsgelder zu verhängen. Fast ausnahmslos bedurfte es auch keiner zeitlich und örtlich vorgeschriebenen dauerhaften Anordnung von Beziehungsgestaltungen.

Die für mich bis heute wichtige Erkenntnis:

Berichte und Bewertungen von Sachverständigen, Jugendamtsmitarbeiter, Verfahrensbeistände können auch bei noch so hoher Fachlichkeit keine produktiven Mit – Gefühle bei dem Richter – Menschen auslösen, der die Weichen für den zukünftigen Lebensweg des Kindes stellen soll. Mit – Gefühle, die durch „hautnahes“ Erleben des für das Kind wichtigen Systems in seiner gewohnten Umgebung entstehen können, eröffnen erst den Raum für eine engagierte Suche des Richters nach anderen Wegen eines Einsatzes seiner Macht. Erst durch die Begegnung mit dem Kind und seinen im Konflikt miteinander befindlichen Bindungspersonen kann die zutreffende Schublade des „Giftschranks“ identifiziert und die richtige Dosis des Medikaments ausgereicht werden.

Allgemeinplätze in Kommentaren helfen genauso wenig, wie eine wie auch immer behauptete herrschende Meinung.

Fremde Bewertungen können richtig oder falsch sein, wie die Hagener Studie zur Qualität von Sachverständigengutachten belegt.

Hier hilft auch nicht weiter, besonders „qualifizierte“ Sachverständige finden zu wollen, die keine Fehler machen.

Solange der Richter Bewertungen von Dritten mangels eines eigenen Gefühls vertrauen muss, bleibt das Kind, um dessen vitale Rechte es zentral geht, von ähnlicher Qualität, wie ein Hausratsgegenstand, bei dem die Eigentumsverhältnisse zu regeln sind. 

Vorschlag: Streichung in § 159 FamFG „…oder der Wille des Kindes….“ und analoge

Übernahme der Fassung des § 319 Abs. 1 FamFG (verschafft sich einen persönlichen Eindruck vom Kind und seinen Beziehungen zu den Familienmitgliedern bzw. Bezugspersonen:

Den persönlichen Eindruck verschafft sich das Gericht …in der üblichen Umgebung“ des Kindes“.

Die meist fehlende Ortsnähe des seit 1998 als Beschwerdeinstanz zuständigen OLGs gibt den dortigen Richtern/Richterinnen in der Regel – selbst wenn sie wollten – nicht die Möglichkeit, das Familiensystem im vertrauten Bereich des Kindes zB. durch Hausbesuch selbst wahrzunehmen (zum Anspruch des Kindes gesehen zu werden vgl. BVerfG. v. 3.11.1980 = NJW 1981, 218 ff)

Vorschlag: Das Problem entfällt mit der Schaffung eines Erziehungsgerichts im JGG und dem dann auch für das Kindschaftsrecht geltenden Instanzenzug.

Der durch § 68 Abs. 3 FamFG seit 2009 im Beschwerdeverfahren mögliche Verzicht auf eine mündliche Erörterung nimmt der 2. Instanz die Möglichkeit, die nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip vorrangig in Frage kommenden Hilfsmöglichkeiten zur Vermeidung von Eingriffen neu und mit anderem Nachdruck als in der 1. Instanz zu erörtern und ggfls. einzufordern.

Vorschlag: Solange es das Erziehungsgericht nach JGG und den dortigen Instanzenzug nicht gibt; am Ende von § 68 Abs. 3 FamFG anzufügen: „Dies gilt nicht für Kindschaftssachen nach § 151 FamFG“

Eine Verfahrenseinleitung durch Erwachsene ohne den Nachweis vorheriger erfolglos unternommener Konfliktlösungsversuche mit freien Trägern der Jugendhilfe verletzt das Verhältnismäßigkeitsprinzip und das familiäre Abwehrrecht gegen unangemessene Kontrolle des Staates, birgt zu Lasten des betroffenen Kindes die Gefahr einer willkürlichen Verschärfung der Stressbelastung und führt zu einer unnötigen Belastung von Gerichten und Behörden.

Vorschlag: Anträge von erwachsenen Personen auf Eröffnung von Verfahren, die auf Antrag einzuleiten sind, sind erst bei Nachweis eines erfolglosen Vermittlungsversuchs bei der von der Anwaltschaft für Kinder einzurichtenden regionalen Anlauf-, Beratungs- und Beschwerdestelle, bzw. bis zu deren Existenz einem freien Träger der Jugendhilfe zulässig.

Die durch Verfahrenskostenhilfe gewährte staatliche Finanzierung der Beteiligung von Rechtsanwälten auf Seiten von erwachsenen Beteiligten führt bei gleichzeitigem Fehlen einer kompetenten Anwaltschaft für das Kind zu einer Verstärkung des auf Ab- und Ausgrenzung des anderen Elternteils oder Beteiligten gerichteten Übergewichts individueller Erwachseneninteressen (dazu Feststellungen der KiMiss-Studie; zur Verpflichtung von Rechtsanwälten, ausschließlich das Interesse des jeweiligen Erwachsenen wahrzunehmen siehe § 356 StGB – Parteiverrat).

Gruppendynamisch erhöht die Beteiligung individuell einseitig orientierter Vertreter von im Konflikt miteinander verstrickten Elternteile den Druck auf das Gericht, unter dem Eindruck einer – oft künstlich hochgeputschten – vermeintlichen „unabänderlichen Konflikt- = Gefahrensituation für das Kind“ ein Ende der Auseinandersetzungen durch Etablierung eines „Sieger- – Verliererverhältnisses zwischen den beteiligten Erwachsenen zu suchen und das grundrechtliche Abwehrrecht des Kindes wie der Familie zu übersehen.

Damit verstärkt sich auch die bereits erwähnte Gefahr einer unkontrollierbaren Übertragung der Bewertung der Situation und damit letztlich der Entscheidungsverantwortung auf gerichtsfremde Personen (Jugendhilfe, Sachverständige)

Vorschlag: Streichung der Verfahrenskostenhilfe für Rechtsanwälte.

Zur Kostenlast gerichtlicher Verfahren zum Schutz von Kindesrechten

Die Möglichkeit, in allen auch nicht antragsabhängigen Verfahren den beteiligten Eltern/Erwachsenen/Behörden Gebühren und Auslagen des Gerichts aufzuerlegen, erscheint kaum länger haltbar.

Alle diese Verfahren sind allein zum Schutz des Kindes = von Drittinteressen in Ausübung des Wächteramtes der staatlichen Gemeinschaft von Amts wegen geboten.

Beteiligten Eltern oder erwachsene Beteiligte solche Kosten aufzuerlegen, führt in der Regel zu einer direkten Belastung der Lebenssituation des Kindes und ist auch deshalb kontraindiziert.

Vorschlag: Änderung des FamFG und der Kostengesetze: Eine Erhebung von Kosten und Auslagen findet in Kindschaftsverfahren nicht statt.

Weitere Bereiche notwendiger Überprüfung und Veränderung von Rahmenbedingungen, sowie Gewährleistung einer Rechtsvertretung für Kinder

a) Behördliche Entscheidungen auf Trennung von Kinder von Eltern oder Bindungspersonen:

Die 1989/1990 der Behörde „Jugendamt“ eingeräumte Befugnis, Kinder ohne vorherige richterliche Kontrolle von Eltern oder Bezugspersonen zu trennen, unterläuft die Garantie des Art. 6 Abs. 3 GG in Form der insoweit strengen Maßstäbe des BVerfG zur Rechtfertigung einer solchen Maßnahme.

In der Praxis führt dies insbesondere im Kleinkindalter schon bei kurzer Dauer zur Gefahr nachhaltiger Schädigung des betroffenen Kindes (Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen vom 19. 7. 2012 – Vf.68-IV-11 und Urteil des Dresdner Oberlandesgerichts vom 30.4. 2013 – 1 U 1306/10); „In fremden Händen“ in Süddeutsche Zeitung Magazin Nr. 50 von Dezember 2015).

Zugleich wird durch diese Situation das Gewaltenteilungsprinzip ohne Not aufgegeben und der unabhängige Richter seiner durch die Verfassung garantierte Funktion quasi enthoben.

Vorschlag: Aufhebung von behördlich veranlassten Eltern-Kind-Trennungen nach §§ 42, 8a SGB VIII.

b) Frühkindliche Betreuung durch Dritte und einschränkende Formen der kindlichen Bildung

Die im Altersbereich bis zur Vollendung des 3. Lebensjahres ohne Weiteres zulässige Fremdbetreuung und damit verbundene Trennung von ihren Eltern oder Hauptbezugspersonen verletzt im Einzelfall, je jünger das Kleinkind, umso nachhaltiger sein Recht auf körperliche und seelische Unversehrtheit. Durch die Förderung dieser Situation handelt der Staat unter Missachtung der Grund- und Menschenrechte des Kindes auf körperliche und seelische Unversehrtheit (vgl. dazu § 1666a BGB).

Entstehen oder Verstärkung von Angst, Bindungslosigkeit, mangelnde Konfliktfähigkeit, Aggression, Hass, kriminelles Verhalten und Fremdenfeindlichkeit bei den betroffenen Kindern haben hier wesentliche Ursachen. (dazu auch Stadler: „Vater Mutter Staat … Wie Politik und Wirtschaft die Familien zerstören, Ludwig-Verlag 2014)

Der Film Alphabet zeigt unter Einbeziehung der Gehirnforschung (Hüther) und wissenschaftlicher internationaler Studien die Auswirkungen einer überholten und Kinder oft in ihrer „freien Entfaltung der Persönlichkeit“ behindernden statt fördernden Schulpolitik.

Vorschlag: Änderung des KiTa – Gesetzes.

Beteiligung der Anwaltschaft des Kindes im Falle der Unterbringung eines Kindes vor Vollendung des 3. Lebensjahres in einer Einrichtung oder außerhäuslichen Betreuung.

Zur Einrichtung einer Anwaltschaft für das Kind

Die derzeit bestehende Form einer Kindesvertretung in gerichtlichen Verfahren ist verfehlt. Schutz der Kinder vor Missachtung ihrer Menschen- und Grundrechte sowohl in gerichtlichen wie auch allen behördlichen Verfahren, von denen Kinder betroffen sind, verlangt eine Institution, die auf die Verwirklichung dieses Schutzes in jedem Verfahren achten kann.

Dazu auch Positionspapier, vorgelegt von der ständigen Fachkonferenz 2 „Familienrecht und soziale Dienste im Jugendamt“ im Deutschen Institut für Jugendhilfe und Familienrechte e.V. Mai 2014: „Im Mittelpunkt und doch aus dem Blick? – Das Kind im familiengerichtlichen Verfahren bei Kindeswohlgefährdung“

Eine gesetzlich geregelte unabhängige kompetente Vertretung ist auch geboten zur Verfolgung von zivilrechtlichen Ansprüchen von Kindern auf Entschädigung und Schmerzensgeld gegen den Staat bei rechtswidrigen Verletzungen ihrer Rechte durch staatliche Institutionen. Es kann in einem Rechtsstaat nicht hingenommen werden, dass Körperverletzungen von oder Risikobelastungen bei Kindern folgenlos für den Staat bleiben, wenn diese durch objektiv rechtswidriges Verhalten der Bediensteten staatlicher Behörden und Gerichte verursacht oder verstärkt wurden.

Als Inhaber des staatlichen Wächteramtes nach Art 6 Abs. 2 GG sind staatliche Einrichtungen ausschließlich aus Kinderschutzgründen zum Handeln und Eingreifen autorisiert und haben damit eine Garantenstellung im Hinblick auf Abwendung von Gefährdungslagen von den Kindern.

Rechtswidrige Maßnahmen müssen unabhängig vom Verschulden der handelnden Bediensteten zur Entschädigung ebenso führen wie zur Verpflichtung zu Schmerzensgeldzahlungen.

Die Entscheidungen des sächsischen Verfassungsgerichtshofs und des Dresdener Oberlandesgerichts zu Schmerzensgeldzahlungen bei behördlich verursachter unberechtigter Trennung eines Kindes von seinen Eltern können Leitbild für eine notwendige Absicherung der Kindesrechte sein (Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen vom 19. 7. 2012 – Vf.68-IV-11 und Urteil des Dresdner Oberlandesgerichts vom 30.4. 2013 – 1 U 1306/10)

Bezüglich Inobhutnahmen der Jugendämter wie im Hinblick auf die Abläufe in anderen Institutionen wie z.B. Schulen, Heimen, KiTa`s bedarf es ebenfalls einer qualifizierten Kindesvertretung.

Vorschlag: Anstelle von §§ 158 FamFG und 69 JGG wird Anwaltschaft für Kinder als unabhängige Körperschaft des öffentlichen Rechts eingerichtet, die für eine qualifizierte Gewährleistung der Menschen- und Grundrechten der Kinder in jedem Einzelfall behördlicher und gerichtlicher Intervention sorgt.

Bei rechtswidrigen Eingriffen in Grundrechte des Kindes durch Behörden oder Gerichte wird die Haftung des Staates in Form von Schadensersatz und Schmerzensgeldzahlugen dem Kind gegenüber unabhängig vom Verschulden der Bediensteten in § 839 BGB verankert. Die Anwaltschaft für das Kind wird gesetzlich autorisiert, Ansprüche dieser Art von Amts wegen für die betroffenen Kinder geltend zu machen.

Rechtsstaatlich gebotene Merkmale einer solchen Anwaltschaft sind:

  • Unabhängigkeit, analog der Anwaltschaft zur Vertretung von Rechten Erwachsener;
  • Gesetzlich geregelter Einsatz in jedem behördlichen und gerichtlichen Verfahren zu Kindesrechten;
  • Kompetenz in den für die Entwicklung von Kindern bedeutsamen Wissenschaftsbereichen.
  • Arbeit im Team von Fachleuten der verschiedenen Wissensbereiche.
  • Vertretung von Kindern zur Geltendmachung von Ansprüchen auf Schadensersatz und Schmerzensgeld gegenüber dem Staat.

Ein Indikator belegt, dass bei allen gerichtlichen Entscheidungen, die zum Sorge- und Umgangsrecht von Kindern veröffentlicht wurden, es offenbar nicht gelungen ist, das Grundrecht des Kindes auf uneingeschränkte gemeinsame Betreuung und Erziehung durch seine Eltern zu gewährleisten.

Wäre es anders, hätte am Ende des Verfahrens kein Gericht etwas zu veröffentlichen.

Alle diese Entscheidungen sind Dokument eines objektiven Rechtsverlusts der Kinder.

Der für heute letzte und vielleicht wichtigste Vorschlag:

Die Ernennung eines Kinderbeauftragen zur Unterstützung eines jeden Abgeordneten bei einer fortlaufend notwendigen Überprüfung der Kinderverträglichkeit aller gesetzlicher Bestimmungen

Der Verband Anwalt des Kindes bietet sich auch mit der heutigen Anhörung an, Sie wie alle anderen Abgeordneten bei den Bemühungen, Bedingungen für eine glückliche Kindheit, für starke und gesunde Familiensysteme, für wachsende Bindungs-, Konflikt,- und Liebesfähigkeit der Bürger zu schaffen oder zu verbessern.

Der Verband Anwalt des Kindes möchte als freier Träger der Jugendhilfe ein erstes Modell „HAUS  DER KINDERANWÄLTE“ aufbauen.

In Ideenwerkstätten, die seit dem 9.4. regelmäßig stattfinden, werden Pläne zur möglichen Umsetzung entwickelt.

Dazu gehört der Aufbau interdisziplinär besetzter Anlauf-, Beratungs- und Beschwerdestellen zur Vermeidung und – soweit nötig – Verbesserung von behördlichen und gerichtlichen Verfahren.

Die Planung einer institutionellen Absicherung qualifizierter Weiterbildungsprogramme, wie sie z B. von uns unter ABC-Kindesvertretung erprobt werden, ist ebenfalls wichtiger Teil der laufenden Planungen und Überlegungen.

Mitgliederversammlungen und die öffentlichen Veranstaltungen dienen dem Austausch und dem Zusammenführen der Kräfte.

So werden bei dem öffentlichen Teil der nächsten Mitgliederversammlung am 9.7.2016 in Potsdam der ehemalige Familienrichter, Begründer des Cochemer Modells und seit seiner Pensionierung Rechtsanwalt Jürgen Rudolph, der über Erfahrungen mit 80 deutschen Familiengerichten berichten wird ebenso dabei sein, wie Prof. Dr. Uwe-Jörg Jopt, der Mitbegründer einer lösungsorientierten Arbeit von Sachverständigen, zu den laufenden Überlegungen zur Verbesserung der Arbeit von Sachverständigen Stellung nehmen.

Zur gegenseitigen Unterstützung laden wir Sie herzlich ein, sich an den Veranstaltungen zu beteiligen!