Als VB, Anwälte des Kindes, ist es unsere Aufgabe, die Interessen des Kindes gegenüber seinen Eltern und der Gesellschaft / dem Staat zu vertreten. (vgl. BVfG 1.4.2008) Ursprüngliches INTERESSE des Kindes aber ist es, b e i d e Eltern zu haben, d. h. zu kennen und lieben zu dürfen.
Das aber geht nicht ohne die Eltern in ihrer Verantwortung zu gewinnen, für das Wohl ihrer Kinder Sorge zu tragen. Das lenkt den Blick auf das Eltern-Paar. Um nicht vorschnelle Urteile über den einen oder anderen Elternteil zu fällen und das Repertoire an Interventionsmöglichkeiten zu erweitern, ist es hilfreich, die Dynamik zu kennen, wie sie sich zwischen den Partnern als natürlicher Prozess entwickelt.
Wir beziehen uns mit der folgenden Darstellung vor allem auf Veröffentlichungen aus der Paarforschung und Paartherapie.
„Die Qualität unserer Beziehungen definiert die Lebensqualität entscheidend. Gesundheit und Krankheit sind von der Paar-Beziehung abhängig.“ (aus: „Die Wahrheit beginnt zu zweit“ – Michael Lukas Moeller)
Am Anfang einer Verbindung stehen sich 2 vollkommen einmalige Individuen gegenüber. Einmalig in ihrer Biografie, ihrer Familie, ihrem sozialen Netz, ihren Lebenserfahrungen und alledem, was daraus folgt: ihrer Art zu denken und zu sprechen, aber auch in ihrer ganz persönliche Rollenidentität und Bedürfnislage, ihrem Umgang mit Körperlichkeit, ihrem Bindungsverhalten uvm.
Trotz aller Unterschiedlichkeit ziehen sie sich offensichtlich so an, dass sie fortan zusammen leben wollen.
Vielleicht durch die Erinnerung an unsere vorgeburtliche Symbiose entsteht nun der Wunsch nach Einssein, nach totaler Verschmelzung. Und Beide scheinen für eine Zeit lang alle Vergangenheit zu vergessen und in der gleichen Schwingung zu leben: ihre Gefühle, Gedanken, Sprache, sogar ihr Bio-Rhythmus scheinen nicht getrennt zu sein: das typische Verliebt-Sein.
Doch im Einssein ist keine Entwicklung, kein Wachstum, sondern nur Gleichheit und Stagnation möglich, was der Natur, dem Menschsein wohl nicht entspricht. So kommt offensichtlich nun der Gegenpol allen Strebens nach Einssein, nämlich das Streben nach Anderssein und Weiterentwicklung zum Zuge.
Es folgt eine Phase mit großen Widerstandsgefühlen, in der das Paar nichts so sehr sucht wie Abgrenzung und dafür auch Einiges tut. Die Partner nehmen bewusst ihre Unterschiedlichkeit wahr, deutlicher als zuvor.
Natürlicherweise bedeutet diese Phase auch eine große Krise für die Partnerschaft. Viele Beziehungen gehen genau in dieser Phase in die Brüche, oft als „Dreiecks-Geschichte“. Doch bekanntlich birgt diese Krisenzeit wiederum nicht nur Gefahren, sondern auch Chancen in sich: vor allem die Chance zu einem persönlichen Reifungsschritt, der nur in der Beziehung mit einem Anderen überhaupt möglich ist.
Was kann helfen in der Krise?
Not-wendige Haltungen und Verhaltensweisen in der Krise:
- Die Hoffnung, bzw. der Glaube daran, dass alle Facetten des Lebens ihre Bedeutung haben
- Bewusstes Abschiednehmen von der Phase vor der Krise, um neue Entwicklungen zu ermöglichen
- Ausrichtung aller Aktivität und Energie nach vorn
- Eine grundsätzliche Bereitschaft beider Partner zur gegenseitigen Unterstützung und zur Kooperation
- Ein gewisses Maß an Fairness und gegenseitiger Achtung
Hans Jellouschek (Paartherapeut / Psychotherapeut) sagt:
„Die Stabilität unserer Ehen hängt heute fast ausschließlich an unseren persönlichen Fähigkeiten und Grenzen, mit unseren Partnern klar zu kommen.“
Eine elementare Fähigkeit dazu ist, auch das betont Jellouschek und viele andere Paartherapeuten, die KOMMUNIKATION. Wenn Paare sich trennen, wird als häufigster Grund angegeben, dass nicht oder unzureichend miteinander geredet wurde. Moeller spricht auch von der Sprachlosigkeit zwischen Paaren. Es wurde festgestellt, dass Paare zum großen Teil nicht wirklich miteinander reden, sondern sich ihr verbaler Austausch vor allem um die Logistik von Haushalt, Kindern o.ä. dreht.
Hinweis: In den Bereich Kommunikation fällt auch die Häufigkeit des Blick-Kontaktes wie die Häufigkeit der körperlichen Berührung (nicht sex. Art!)
Gelingt es dem Paar, gut in der Kommunikation zu bleiben, dann kann es nach der kritischen Phase zu neuer Stabilität finden.
Nach einer Phase der Wiederannäherung kommt es auf einer nunmehr reiferen Stufe zu einer neuen Phase der Vereinigung, die statt des Verliebtheitsgefühls vom Anfang einen ganz anderen Zauber bereit hält.
Bis hierher hört sich das Paargeschehen sicher recht harmonisch und irgendwie machbar an. Doch darf nicht vergessen werden, dass das Ganze ein dynamischer Prozess ist. Das heißt: die einzelnen Phasen sind nicht statisch, sondern verlaufen eher zyklisch. Und In den Partnern entsteht nicht unbedingt zur gleichen Zeit der Drang nach Verschmelzung, bzw. Abstand und Differenzierung. Außerdem läuft, sozusagen als begleitende „Tonspur“ immer auch die ganz persönliche Reifung und Entwicklung des einzelnen Menschen mit.
Eingebettet in die Lebenszyklen der beiden Partner ist auch die Paar-Geschichte einem gewissen Lebenszyklus unterworfen. Man spricht auch von den „Jahreszeiten der Liebe“ und versucht damit, in gewisser Weise die eher vorhersehbaren Lebensereignisse zu erfassen. So geht es bei den jungen Paaren („Frühling“) zB. darum, sich kennen zu lernen, seine Kommunikation zu finden, Lebensperspektiven zu entwickeln. Die Phase des „Sommers“ ist der Familienphase zugeordnet, wo es vermehrt um Berufsfindung und um die Entwicklung vom Paar zur Familie geht. Ein Paar in der 2. Lebenshälfte („Herbst“) beschäftigt sich oft mit Themen wie Älterwerden und veränderte Sexualität oder neue Lebensziele nachdem Kinder aus dem Haus sind. Die Phase des „Winters“ betrifft dann ein Paar im Alter jenseits der Berufswelt, wo es dann vielfach um Fragestellungen nach dem Sinn des Lebens oder um Abschiede geht. Kompliziert wird es noch besonders dann, wenn die Partner sich in verschieden Altersphasen befinden oder aber auch, wenn Partner sich erst in einer späten Lebensphase kennen lernen und/oder womöglich schon in Dauerbeziehungen gelebt haben.
Zu diesen Herausforderungen, die das Leben eben so mit sich bringt, kommen noch Ereignisse, die eben nicht vorhersehbar sind: Krankheit, Unfall, Tod eines Angehörigen, Verlust des Arbeitsplatzes uvm. Alle diese Themen sind kritische Wendepunkte für die Partnerschaft, an der diese reift oder aber zerbricht.
Allein mit der Betrachtung dieser eher äußeren Einflüsse wird sichtbar, wie groß die Herausforderung ist, als Paar in einer Dauerbeziehung zu leben.
Neben den äußeren Einflüssen auf das Paargeschehen beeinflussen auch innere Konstellationen, wie sie jeder von uns trägt, die Partnerschaft.
Wir alle tragen ein sogenanntes Beziehungskonzept in uns, das geprägt ist von unserem Kindheitserleben und Erfahrungen in anderen Beziehungen. Es wird zum implizierten Paar-Vertrag und prägt:
- die Wahl unseres Partners (Wer sucht sich welchen Partner? …)
- die Erwartungen an ihn (Glaubenssätze über die Partnerschaft …) und auch
- die eigene Gestaltung von Partnerschaft (Abgrenzung als Paar, Umgang mit Macht-Ressourcen …).
Impliziert deshalb, weil es in der Regel nicht thematisiert wird unter den Partnern.
Bis hierher lag der Blick auf der Dynamik zwischen Paaren in der Zweiergemeinschaft. Es lässt sich unschwer vermuten, dass ganz neue Veränderungen entstehen, wenn aus der Diade eine Dreier-Gemeinschaft wird: neue Herausforderungen, aber auch neue Chancen!
Ergänzend sei nun noch darauf hingewiesen, dass die Dynamik zwischen Eltern, bzw. zwischen Eltern und Kindern sich ähnlich abbildet im Verhältnis Eltern – Pflege-Eltern.
Selbst wenn wir davon ausgehen, dass zwischen den Pflege-Eltern die Dynamik in ruhigen Gewässern schwebt, ist zwischen dem Pflege-Eltern-Paar und einem, bzw. auch beiden leiblichen Elternteilen mit unbewussten Dynamiken zu rechnen, die ebenso die Beziehung zwischen den einzelnen Paaren beeinflusst.
Sich dieses immer wieder bewusst zu machen in der Rolle als Verfahrensbeistand, kann helfen, das Verständnis für die betroffenen Eltern zu vergrößern und so die Wertschätzung beiden gegenüber aufzubringen, ohne die ich die wirklichen Interessen eines Kindes nicht vertreten kann.