Bei genauer Betrachtung der UN-Konvention über die Kinderrechte, welche im Range eines Bundesgesetzes bei der Auslegung aller Vorschriften zu berücksichtigen sind, zeigen sich Unverträglichkeiten in Bezug auf die deutschen Gesetze. Hierzu die markantesten Stellen:
Art 2 Abs. 1 – „treffen alle geeigneten Maßnahmen, um sicherzustellen, dass das Kind vor allen Formen der Diskriminierung…wegen des Status,…. seiner Eltern,… geschützt wird“
Diskriminierung droht in einzelnen Verfahren wie im Gesetz
- durch unterschiedliche Behandlung der Vater-Kind-Beziehung – ehelich/nicht ehelich
- durch unterschiedliche Gewichtung des „Kindeswohls“ in den einzelnen Symptombereichen
- durch unterschiedliche Gewichtung des Rechts kindlicher Beziehungen zu seinen Bindungspartnern, hier Eltern, dann 1684 BGB, dort andere vom Kind aus möglicherweise stärkere Bindungspartner (Pflegeeltern, Großeltern,…) § 1685 BGB
Art 3 Abs. 1 – „Bei allen Maßnahmen,….., ist das Wohl des Kindes ein Gesichtspunkt, der vorrangig zu berücksichtigen ist“
„Kindeswohl“ hat Vorrang, jedoch kann nicht „Kindeswohl“ sein, was dem Kind eigene Rechte entzieht (auf Eltern, Familie, auf Beziehungserhalt, auf gesunde Identitätsentwicklung)
Da „Kindeswohl“ nicht definierbar ist, droht die Begriffsverwendung zur Projektionsfläche für Mitarbeiter von Behörden, SV, Richter (hier von besonderem Gewicht) zu werden und objektiv auch gegen das Willkürverbot des Art 16 zu verstoßen.
Art 3 Abs. 2 – „… verpflichten sich, dem Kind unter Berücksichtigung der Rechte und Pflichten seiner Eltern,… den Schutz und die Fürsorge zu gewährleisten, die zu seinem Wohlergehen notwendig sind. …“
Zur konsequenten Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (Unterstützung der Eltern… vor Eingriff – s. Art. 18) benötigt das Gericht zur Verhinderung oder angemessenen Begrenzung möglicher Schäden eine umfassende Kenntnis über mögliche Hilfen einerseits und das zeitlich und inhaltlich ggf. unumgängliche Maß eines Eingriffs. Dies verlangt eine unabhängige interdisziplinär kompetente Vertretung des Kindes, das seine Bedürftigkeit, wie die seiner Eltern, konkret erfasst und die Einbeziehung aller in Frage kommenden Varianten sicherstellt.
Art. 3 Abs. 3 – „Die Vertragsstaaten stellen sicher, …..dass die …. Institutionen, … den Normen entsprechen, insbesondere im Bereich der … Gesundheit sowie hinsichtlich der Zahl und der fachlichen Eignung des Personals und des Bestehens einer ausreichenden Aufsicht.“
Angesichts der noch fehlenden fachlichen Qualifikation der entscheidenden Richter (dazu schon Landeskinderbericht NRW 1980 S. 75) im Hinblick auf Kindesentwicklung und Pädagogik (u.a.) und der damit in jedem Einzelfall objektiv drohenden Willkür (Art. 16), bedarf das Kind einer not – wendigen qualifizierten Verteidigung seiner Rechte gegen unangemessene Eingriffe einerseits. Zugleich ist das Gericht bei der Auswahl der zum Schutz des Kindes ggf. notwendiger Maßnahmen und ihrer nachfolgenden Überprüfung auf entsprechende Unterstützung angewiesen.
Dies gilt gleichermaßen im Hinblick auf behördliches Handeln und erfordert auch dort eine qualifizierte Sicherung der Kindesrechte und -bedürfnisse. Beim Jugendamt fehlen eine juristisch ausreichende Qualifikation und eine externe Fachaufsicht. Derzeit besteht auch kein Weisungsrecht des Familiengerichts gegenüber der Behörde. Bei Inobhutnahmen besteht ein quasi rechtsfreier Raum: Eine Trennung von Kindern kann ohne richterliche Kontrolle nach subjektiver und projektiver Einschätzung von „Kindeswohl“ erfolgen.
Hinzu kommen widersprüchliche Handlungsanweisungen im Gesetz:
Weisung für das Gericht auf jederzeitige Überprüfung der möglichen Rückführung bei Pflegekindschaft (§ 1696 BGB) einerseits – Weisung für das Jugendamt auf Suche nach Dauerlösung zur Sicherung der Fremdunterbringung bis hin zur Adoption in § 37 SGB VIII andererseits.
Art 7 Abs. 1 – „Das Kind…. hat das Recht…, seine Eltern zu kennen und von ihnen betreut zu werden.“
Das Recht des Kindes, von seinen Eltern von Geburt an betreut zu werden, wurde vom BVerfG am 1.4.2008 wiederholt ausdrücklich als Grundrecht unterstrichen, wird jedoch von § 1671 BGB konterkariert:
- 1671 Abs. 2 Nr.1 – Eltern können den jeweils anderen aus seiner Grundpflicht ohne weiteres entlassen (Vertrag zu Lasten Dritter). Nach § 1671 Abs. 2 Nr. 2 – kann das Gericht die Entlassung bei fehlender Einigung quasi willkürlich („dem Kindeswohl am besten entspricht“) anordnen. Eine theoretisch nach Abs. 4 mögliche Überprüfung unter dem Gesichtspunkt des § 1666 BGB erfolgt in der Praxis regelmäßig nicht.
- 1626 a BGB macht die Grundpflicht des Vaters dem Kind gegenüber von der Zustimmung der Mutter oder einer positiven Entscheidung des Gerichts abhängig – in beiden Fallgruppen ein Verstoß gegen Art 8 (Recht auf Identität).
Art. 8 Abs. 1 – „Die Vertragsstaaten verpflichten sich, das Recht des Kindes zu achten, seine Identität, einschließlich … seiner gesetzlich anerkannten Familienbeziehungen, ohne rechtswidrige Eingriffe zu behalten.“
Art 8 Abs. 2 – „Werden einem Kind einige oder alle Bestandteile seiner Identität genommen, so gewähren die Vertragsstaaten ihm angemessenen Beistand und Schutz mit dem Ziel, seine Identität so schnell wie möglich wiederherzustellen.“
Die Ausführungen zu Art. 7 unterstreichen die Notwendigkeit eines qualifizierten Beistandes für das Kind in jedem Einzelfall einer drohenden Abtrennung von seinen Wurzeln.
Dies gilt in gleicher Weise für die Adoption, wenn dem Kind dadurch der Zugang zu seinen Wurzeln (Identität) genommen wird.
In gleicher Weise ist eine qualifizierte Anwaltschaft bzw. Anlauf-, und Beschwerdestelle für das Kind zur Verhinderung bzw. Beendigung von objektiv rechtswidrigen Trennungen nach § 42 SGB VIII – Inobhutnahme durch Behörde (Gefahr der Willkür durch Verwendung von „Kindeswohl“) unverzichtbar.
Das Erfordernis einer fachübergreifende Vertretung ergibt sich in allen Bereichen auch aus Art. 3 Abs. 3 und 16 sowie Art 12 und 37 d (speziell bei Inobhutnahmen).
Art. 9 Abs. 3 – „…achten das Recht des Kindes, das von einem oder beiden Elternteilen getrennt ist, regelmäßige persönliche Beziehungen und unmittelbaren Kontakte zu beiden Elternteilen zu pflegen, soweit dies nicht dem Wohl des Kindes widerspricht“
Das Recht des Kindes auf Beziehungserhalt, das auch in § 1684 Abs. 1 BGB betont wird, wird immer dann unterlaufen, wenn Richter quasi nach „Gutdünken“ („Kindeswohl“ – § 1684 Abs. 3 und 4) vorübergehend oder gar auf Dauer Kontakte aussetzen, weil es aufgrund des Kindeswohlbegriffs zu verfehlten Projektionen kommt, die auf dem Hintergrund fehlender Ausbildung der Richter vorprogrammiert erscheinen.
Ein Verfahren – wie es in der Praxis die Regel ist – nur nach § 1684 BGB, das lediglich das „ob“ oder die Quantität von Kontakten zum Inhalt hat, führt zu einer reinen Symptombehandlung durch das Gericht, ohne die regelmäßig in Haltung und Einstellung der Eltern liegenden Ursachen der Beziehungsstörung erfassen und ändern zu können. Dadurch Gefahr der Verstärkung der Probleme für das Kind aufgrund fortbestehender Loyalitätskonflikte. Die alleinige Festlegung von Kontakten führt häufig zum dauerhaften Abbruch der Beziehungen und konterkariert den Sinn von Art 9 Abs. 3.
Zur besonderen Gefahr für das Kind wird zusätzlich eine im Verfahren häufig praktizierte unangemessene und fehlerhafte Umgehensweise des Gerichts mit dem Kind z. B. in Form einer verbalen „Anhörung“ in einer für das Kind fremden Umgebung und fehlerhaften Bewertung der Kindesäußerungen ohne bei Kontaktschwierigkeiten den Ursachen auf den Grund zu gehen.
Art. 12 ist im Zusammenhang mit Art 8 Abs. 2 und Art 37 zu sehen:
Art 12 – stellt Kenntnisnahme von der „Meinung des Kindes“, „das fähig ist, sich eine eigene Meinung zu bilden“, in den Mittelpunkt.
Bei Art. 8 Abs. 2 wird der „Beistand“ unabhängig von der Fähigkeit des Kindes garantiert.
Bei Art 37 d geht es um den auch „rechtskundigen“ „Beistand“ in allen Fällen.
Eine qualifizierte Vertretung von Kindern ist danach in allen Fällen behördlicher oder gerichtlicher Befassung mit Kinderrechten schon für eine zutreffende Interpretation von kindlichen Äußerungen bei Kindern und Jugendlichen immer geboten.
Eine Altersgrenze nach unten gibt es nicht, da auch Neugeborene fähig sind, eine subjektive Meinung = Empfinden zu äußern.
Dabei ist Gestaltung und Ort der Einbeziehung von besonderer Bedeutung.
Auch ältere Kinder und Jugendliche sind regelmäßig nicht in der Lage, die Konsequenzen einer momentanen Meinungsäußerung oder Gefühlslage zu übersehen (Prof. Klenner in FamRZ 2003 S. 1315). Sie daran festzuhalten und gar eine Entscheidung darauf zu stützen, verletzt die Würde des Kindes, begründet mögliche zusätzliche Gefährdungen für seine gesunde seelische Entwicklung und verstößt ohne Zuziehung eines qualifizierten Beistands auch gegen Art. 103 GG (Grundrecht auf „rechtliches Gehör“).
Eine fachübergreifende Qualifikation des Beistandes ist angesichts der eingeschränkten Kompetenz in Behörden und Gerichte zwingend erforderlich.
Neben der Frage der angemessenen Gelegenheit zur „Meinungsäußerung“ des Kindes geht es immer auch inhaltlich um die Beachtung und ggf. Durchsetzung verfassungsrechtlicher Abwehrrechte des Kindes gegen unangemessene auf „Kindesäußerungen“ gestützte vorschnelle Eingriffe in Elternverantwortungen zur Gewährleistung der Grundrechte des Kindes aus Art. 1, 2,19,103 GG.
Bei behördlichen Inobhutnahmen ist Art. 12 mangels Einbeziehung des Kindes mit fachkundiger unabhängiger Vertretung in jedem Fall verletzt, da diese Vorschrift zusammen mit Art 37 d (s.u.) zu sehen ist.
Art. 16 Abs. 1 – „Kein Kind darf willkürlichen oder rechtswidrigen Eingriffen in sein Privatleben, seine Familie, seine Wohnung,…. ausgesetzt werden.“
Art. 16 Abs. 2 – „Das Kind hat Anspruch auf rechtlichen Schutz gegen solche Eingriffe und Beeinträchtigungen“
Eine unabhängige fachübergreifend aufgestellte Anwaltschaft des Kindes ist nach Abs. 2 in jedem Fall erforderlich, um Behörden wie Gerichte dabei zu unterstützen, die Rechte des Kindes nach Abs. 1 zu gewährleisten. Willkürlich“ erscheinen alle in Elternverantwortungen oder Betreuungen durch Dritte reglementierend eingreifende Gerichtsentscheidungen, wenn sie von fachlich nicht ausgebildeten Richtern lediglich unter Berufung auf unüberprüfbare Bewertungen durch Dritte (SV/JA/VB) getroffen werden, ohne den Nachweis einer konkreten Abwägung zwischen Rechtspositionen des Kindes einerseits und konkretisierten Gefährdungstatbeständen andererseits geführt zu haben.
Dies gilt ebenso für die Verwaltungsakte der „Inobhutnahmen“
Art 18 Abs. 1 – „Die Vertragsstaaten bemühen sich nach besten Kräften, die Anerkennung des Grundsatzes sicherzustellen, dass beide Elternteile für die Erziehung und Entwicklung des Kindes verantwortlich sind. Für die Erziehung und Entwicklung sind in erster Linie die Eltern oder gegebenenfalls der Vormund verantwortlich. Dabei ist das Wohl des Kindes ihr Grundanliegen.“
Diese Norm
- ist durch § 1671 Abs. 2 Nr. 1 BGB praktisch außer Kraft gesetzt. Elternteile können sich bei Trennung durch interne Vereinbarung ihrer Sorgepflicht entziehen, ohne dass das Gericht dies – wie in der Praxis üblich – gemäß § 1666 BGB als Gefährdung des Kindes ansieht und entsprechend nach § 1671 Abs. 4 ermittelt;
- ist durch §§ 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB außer Kraft gesetzt, wenn das Gericht bei fehlender Einigung auf Antrag eines Elternteils i.d.R. „willkürlich“ ohne Prüfung einer möglichen Gefährdung nach §§ 1666,1666a, 1671 Abs. 4 BGB den anderen Elternteil entlässt.
- ist durch § 1626 a BGB bei nicht ehelicher Abstammung des Kindes außer Kraft gesetzt, weil beide Eltern zur gemeinsamen Sorgepflicht erst aufgrund eines Willensaktes eines von ihnen kommen. Das Kind bleibt ohne Vater, wenn niemand den Antrag stellt. Verstoß auch gegen Art. 2
Erst eine unabhängige kompetente Vertretung des Kindes kann wirksam im Einzelfall durchsetzen, dass §§ 1671 Abs. 1 Nr.1 und 2 über §§ 1666,1666a BGB nicht zum Tragen kommen sowie zu allen Fällen den Gesetzgeber zur Änderung der Vorschriften veranlassen.
Art 19 Abs.1 – „…alle geeigneten Gesetzgebungs-, Verwaltungs-, Sozial—und Bildungsmaßnahmen, um das Kind vor jeder Form körperlicher oder geistiger Gewaltanwendung, Schadenszufügung oder Misshandlung, vor Verwahrlosung oder Vernachlässigung, vor schlechter Behandlung oder Ausbeutung einschließlich des sexuellen Missbrauchs zu schützen, solange es sich in der Obhut der Eltern oder eines Elternteils, eines Vormunds oder anderen gesetzlichen Vertreters oder einer anderen Person befindet, die das Kind betreut.“
Dies zeigt die besondere Bedeutung einer Anwaltschaft für Kinder in Form einer unabhängigen Anlauf-, Klärungs- und Beschwerdestelle für alle Kinder und Jugendlichen sowie Erwachsene, die an ihrem gesunden Aufwachsen interessiert sind.
Eine solche Stelle kann Hinweise auf entsprechende Gefährdungslagen ohne Kollision mit weiteren Funktionen – wie sie vom Aufgabenkatalog des Jugendamtes her vorprogrammiert ist – aufnehmen, den Verantwortlichen gegenüber Abhilfemöglichkeiten aufzeigen und vermitteln, bei Erfolglosigkeit das Gericht zur Überprüfung der Situation anrufen sowie für das Gerichtsverfahren für eine qualifizierte Vertretung des Kindes im Verfahren sorgen
Ein Beispiel:
Bei Unterbrechung der Beziehungen des Kindes zu dem anderen Elternteil durch den betreuenden Elternteil kann zusätzlich zum Verstoß gegen Art. 9 Abs. 3 eine die Identitätsentwicklung gefährdende Misshandlung des Kindes vorliegen.
Dies wird in dieser Dimension von den Behörden und Gerichten von Amts wegen bisher kaum wahrgenommen, weil und solange die herrschende Auffassung sich bis hin zur Vollstreckung mit der symptomatischen Behandlung nach § 1684 BGB zufrieden gibt und auch die Jugendämter bisher dementsprechend Kontaktstörungen in aller Regel nicht zum Anlass nehmen, nach § 8 a SGB VIII das Gericht von sich aus einzuschalten.
Vom Kind aus wäre in jedem Fall eine über § 1684 BGB hinausgehende Überprüfung zur Verantwortlichkeit der Sorgeinhaber unter dem Gesichtspunkt einer Gefährdung der Entwicklung des Kindes i.S. d. §§ 1666,1666a BGB geboten. Ohne eine qualifizierte jedoch vorgerichtlich, gerichtlich und nachsorgend operierende Anwaltschaft für Kinder und Jugendliche bleibt dies dem Zufall überlassen.
Art 25 – „…. erkennen an, dass ein Kind, das ….untergebracht worden ist, das Recht auf eine regelmäßige Überprüfung der dem Kind gewährten Behandlung sowie aller anderen Umstände, die für seine Unterbringung von Belang sind, hat.“
Die Vorschrift wird solange verletzt, solange das Kind bei einer Fremdunterbringung durch die Eltern – ohne oder mit dem Jugendamt (Hilfeplan) – bzw. auf Veranlassung durch das Gericht keine unabhängige, ausschließlich dem Kind verpflichtete qualifizierte Vertretung zur Überprüfung der Unterbringung selbst noch im Hinblick auf die Beibehaltung der Unterbringung hat.
Dem Kind ist solange auch jeder Einfluss auf Einhaltung der staatlichen Pflicht zur Beratung seiner Eltern bzw. Förderung seiner Beziehungen zur Ursprungsfamilie ( siehe z. B. §§ 36, 37 SGB VIII) genommen.
Art. 37 „… stellen sicher,
- a) dass kein Kind der Folter oder einer anderen grausamen,… Behandlung… unterworfen wird….
- d) dass jedes Kind, dem die Freiheit entzogen ist, das Recht auf umgehenden Zugang zu einem rechtskundigen oder anderen geeigneten Beistand und das Recht hat, die Rechtmäßigkeit der Freiheitsentziehung bei einem Gericht oder einer anderen zuständigen, unabhängigen, und unparteiischen Behörde anzufechten, sowie das Recht auf alsbaldige Entscheidung in einem solchen Verfahren.“
Art. 37 a und d sind eine besondere Herausforderung zur Schaffung von Anlauf- und Beschwerdestellen für Kinder und Jugendliche und geeigneten Anwälten des Kindes in behördlichen wie gerichtlichen Verfahren, wann immer es zur Trennung des Kindes von den Eltern durch Inobhutnahmen kommt. Die Wirkung einer Trennung als „Folter“ auf das Kind ist umso größer je jünger das Kind ist. In jedem Fall droht weiterer Angstaufbau beim Kind, der sich in seine Persönlichkeitsstruktur dauerhaft einnistet.
Folgende Rechtsgrundsätze sind auch im behördlichen Verfahren zu beachten wie:
BVerfG v. 8.3.2012 – 1 BvR 206/12 ZKJ 2012,307:
„Es ist nicht hinreichend dargelegt, dass die konkret getroffenen Anordnungen zur Sicherung des Kindeswohls erforderlich sind. Erforderlich ist eine Maßnahme dann, wenn von den zur Erreichung des Zweckes gleich gut geeigneten Mitteln das mildeste, also die geschützte Rechtsposition am wenigsten beeinträchtigende Mittel gewählt wird (BVerfGE 100.313,375). Die Gerichte mussten sich insoweit damit auseinandersetzen, ob mildere Mittel zur Verfügung standen, die ebenso geeignet gewesen wären, die festgestellte Gefährdung von dem Kind abzuwenden.“
Zur Abwägung zwischen Gefährdung bei den Eltern und Gefährdung durch Herausnahme
BVerfG v. 24.3.2014 – 1BvR 160/14 – ZKJ 2014, S. 242 ff:
„Es lässt sich nicht mit hinreichender Sicherheit feststellen, dass die Trennung der Kinder geeignet ist, die von den Gerichten angenommenen Gefahren zu beseitigen oder abzumildern. Zwar wäre die Trennung grundsätzlich geeignet, die nach Ansicht der Gerichte bei der Mutter für die Kinder bestehenden Gefahren zu beseitigen. …
Allerdings ruft die Trennung des Kindes von den Eltern regelmäßig eigenständige Belastungen hervor, weil das Kind unter der Trennung selbst dann leiden kann, wenn sein Wohl bei den Eltern nicht gesichert war.
Eine Maßnahme kann nicht ohne weiteres als zur Wahrung des Kindeswohls geeignet gelten, wenn sie ihrerseits nachteilige Folgen für das Kindeswohl haben kann. Solche negativen Folgen einer Trennung des Kindes von seinen Eltern und einer Fremdunterbringung sind zu berücksichtigen (vgl….) und müssten durch die Beseitigung der festgestellten Gefahr aufgewogen werden, so dass sich die Situation des Kindes in der Gesamtbetrachtung verbessern würde (vgl. BGH XII ZB 247/11 v. 26.10.2011)“ (S. 244,245)
Abgesehen von der Frage der Folter ist Art 37 d bei jüngeren Kindern im Falle von Inobhutnahmen durch das Jugendamt nach § 42 SGB VIII verletzt, solange eine kompetente Vertretung fehlt. Bei den Kindern, die sich nicht fortbewegen können, beinhaltet die Fremdunterbringung zugleich den Entzug der Freiheit der Fortbewegung. Auch im Hinblick auf die Frage der Aufrechterhaltung oder Beendigung der Unterbringung bedarf das Kind einer qualifizierten Vertretung.
Ein weiterer Gesichtspunkt zur Notwendigkeit einer qualifizierten Vertretung kommt durch die Entscheidung des BVerfG v. 24.3.2014 – 1BvR 160/14 – ZKJ 2014, S. 242 ff in den Blick: Ob vorrangig einzusetzende öffentliche Hilfen zur Abwendung einer Fremdunterbringung erfolgversprechend sind, muss das Familiengericht in eigener Verantwortung beurteilen. Die Einschätzung des Jugendamtes darf nicht ungeprüft übernommen werden. Auch ob das Jugendamt weitere Hilfen schon abgelehnt hat, ist unwichtig. Nur eine qualifizierte Rechtsvertretung ist in der Lage, die konsequente Beachtung dieser Grundsätze einzufordern oder durchzusetzen.
Art 40 Abs. 2 b) – „…dass jedes Kind, das einer Verletzung der Strafgesetze verdächtigt oder beschuldigt wird, Anspruch auf folgende Mindestgarantien hat:
ii.- unverzüglich und unmittelbar über die gegen das Kind erhobenen Beschuldigungen unterrichtet zu werden, gegebenenfalls durch seine Eltern oder seinen Vormund, und einen rechtskundigen oder anderen geeigneten Beistand zur Vorbereitung und Wahrnehmung seiner Verteidigung zu erhalten
Diese Norm führt auch zur Notwendigkeit einer in allen Jugendverfahren nach dem Jugendgerichtsgesetz (JGG) einzusetzenden kompetenten und unabhängigen Anwaltschaft des Kindes. §§ 68 und 69 JGG sind unzureichend.
In § 68 JGG geht das Gesetz zur Frage einer „notwendigen Verteidigung“ abgesehen von den Fällen einer „notwendigen Verteidigung“ nach § 140 StPO grundsätzlich von einer hinreichenden Vertretung des/der Jugendlichen durch seine/ihre Eltern bzw. Erziehungsberechtigten – abgesehen von einigen Ausnahmefällen – aus. Ein Rechtsanwalt ist als Verteidiger nach § 68 Nr.2 JGG erst dann zu bestellen, wenn den Erziehungsberechtigten ihre Stellung durch den Jugendrichter nach § 67 entzogen wurde.
Ein Beistand kann zwar nach § 69 bestellt werden. Über seine Qualifizierung schweigt das Gesetz. Seine Abhängigkeit vom bestellenden Richter liegt auf der Hand. Er bekommt keine Vergütung und unterliegt auch keinerlei Aufsicht.
Die mangelnde qualifizierte Vertretung ist mit den Rechtsgarantien aus Art. 103 Abs. 1 GG und Art 40 Abs. 2 b der UN-Konvention über die Rechte des Kindes nicht zu vereinbaren.
Unter Einbeziehung der oben genannten Normen der UN-Konvention ist eine Anwaltschaft für Kinder zu schaffen, die in Sorge- und Jugendverfahren gleichermaßen kompetent ist und Jugendliche im jeweils anderen Bereich zugleich vertritt, bzw. für das Kind Ermittlungen zur Gefährdungslage nach §§ 1666, 1666a BGB veranlassen kann.
Mit diesen aufgezeigten Unvereinbarkeiten begründet sich die von ABC-Kindesvertretung favorisierte Projektidee einer Anlauf-, Klärungs- und Beratungsstelle als ersten Schritt zu einer unabhängigen fachübergreifenden Anwaltschaft für Kinder und Jugendliche.