Ob Kinder in Verfahren, die sie betreffen, einbezogen werden und in welcher Weise dies erfolgt, ist seit 1977 einem großen Wandel unterworfen. Zunächst reine Objekte elterlicher Gewalt wie des Gerichts, erfolgt eine erste ausdrückliche gesetzliche Aufwertung der Stellung der betroffenen Kinder im Verfahren 1980 durch Paragraph 50 b FGG (Seit 2009 § 159 FamFG). Unabhängig von ihrem Alter sind sie vom Gericht grundsätzlich einzubeziehen, „wenn die Neigungen, Bindungen oder der Wille des Kindes für die Entscheidung von Bedeutung sind oder eine persönliche Anhörung aus sonstigen Gründen angezeigt ist.“

Im Hinblick auf den Status des Kindes als Grundrechtsträger präzisiert das Bundesverfassungsgericht am 5. November 1980, dass darunter mehr zu verstehen ist, als die bloße verbale Anhörung. Das Gericht hat danach „dem Kind Gelegenheit zu geben, seine persönliche Beziehungen zu den Familienmitgliedern erkennbar werden zu lassen.

Eine große Gefahr:

Wie das allerdings von dem Richter beziehungsweise der Richterin im Einzelnen verwirklicht werden kann ohne das Kind zu überfordern oder gar nachhaltige Belastungen und Schädigungen auszuschließen, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Immerhin war dieses Problem im Gesetzgebungsverfahren bereits gesehen worden. (siehe Entscheidung des BVerfG vom 5.11.1980)

Wie sollen gelernte Juristen ohne entsprechende Ausbildung in kinderkundlichen Wissensbereichen erkennen können, in welchem Entwicklungsstadium sich das jeweils anzuhörende Kind befindet, ob und in welcher Form sein Leistungsvermögen durch Behinderungen eingeschränkt ist oder welche Bewertungen entsprechend des Alters mit verbalen und nonverbalen Äußerungen verbunden werden müssen?

Da es solche Fortbildungen für Familienrichter auch bis heute nicht gibt, ist zwangsläufig davon auszugehen, dass weit überdurchschnittlich oft die Einbeziehung von Kindern im Einzelfall oft wenn nicht gar regelmäßig ihren Sinn nicht nur verfehlt, sondern zur zusätzlichen Schädigung des jeweils betroffenen Kindes führen muss.

Was ist zu tun?

Ausgehend von den Hinweisen Professor Dr. Klenners von der Fachhochschule Bochum und den langjährig erprobten Vorgehensweisen von Hans Christian Prestien hat sich in der Praxis der Einbeziehung von Kindern und Jugendlichen bei gerichtlichen Verfahren Folgendes bewährt:

  • Bei jüngeren Kindern, und zwar von Geburt an: Besuch des Richters in der vertrauten Umgebung des Kindes unter Anwesenheit seiner im Verfahren beteiligten Bezugspersonen; je nach Situation auch Besuche des Kindes bei der einen wie bei der anderen (Eltern-)Seite
  • Bei Jugendlichen: Anhörung bei Gericht.
  • Bei Hinweisen auf bestehende besondere Belastungen, Entwicklungsrückständen oder Behinderungen des jeweiligen Kindes, bzw. Jugendlichen: Anhörungen in der Regel unter Hinzuziehung psychologischer Sachverständiger

Bei dieser Vorgehensweise geht es nicht darum, einen konkreten Willen des Kindes zur Frage seines Aufenthalts oder Umgangs festzustellen oder, wie es in heutiger Praxis noch oft geschieht, einen solchen Willen gar zur Grundlage eine abschließende Entscheidung zu machen. Vielmehr stellt die Einbeziehung des Kindes den Ausgangspunkt dar für eine Befriedung in seinem Umfeld mit der Konsequenz, dass die Frage seines Aufenthalts oder Umgangs in der Verantwortung der beteiligten Erwachsenen belassen werden kann. Die Kindesanhörung ist somit in erster Linie ein Akt der Würde.

Auf dem Hintergrund mangelnder Ausbildung ist der Richter beziehungsweise die Richterin in besonderer Weise darauf angewiesen, in dem Verfahrensbeistand jemanden zu haben, der geeignete Hinweise für das setting einer dem Kind angemessen Einbeziehung geben und diese so mitgestalten kann, dass das Gericht in die Lage versetzt wird, verfassungsrechtliche Grundprinzipien und Abwehrrechte des Kindes wie der Familie gegen unangemessene Eingriffe zu beachten und dem Recht des Kindes in jeder Lage wirksam Gehör zu verschaffen.

Inhalte und Strategien entsprechender Arbeitsweise von Verfahrensbeiständen vermitteln wir in unseren Seminaren.