
Der Leitartikel des Magazins der Süddeutschen Zeitung Nr. 50 vom 11.12.2015 unterstreicht drastisch, in welchem Umfang es derzeit zu schwersten – nicht nur – seelischen Verletzungen bei den betroffenen Kindern und Familienmitgliedern auch oder oft sogar erst durch fehlerhaftes Handeln staatlicher Institutionen kommt.
Ich habe zu der Situation mit weiteren Experten wie Thomas Mörsberger, Lore Peschel-Gutzeit, Johannes Streif, Klaus-Uwe Kirchhoff, Uwe Jopt, Reinhard Wiesner, Ursula Kodjoe, Thomas Saschenbrecker (Auflistung in der Reihenfolge ihrer Beiträge) kritisch zu Ursachen und nachhaltigen Folgen Stellung bezogen. (Vgl. dazu auch jüngste Feststellungen des Deutschen Instituts für Menschenrechte)
Das vom Magazin der SZ an 6 Fällen dargestellte Elend beläuft sich inzwischen jährlich allein bei Inobhutnahmen durch Jugendämter auf etwa 50.000 Fälle. Hinzu kommen ähnlich schwer wiegende Verletzungen in einer Vielzahl von Fällen durch nicht an den Grundrechten der betroffenen Kinder orientierte Entscheidungen der Familiengerichte bei Verfahren anderer Art.
Eine – vielleicht sogar die entscheidende – Ursache sinnwidrigen Einsatzes der zum Kinderschutz berufenen Personen in Behörden und Gerichte sind überkommene gesetzliche Rahmenbedingungen. Noch geltende Vorschriften behindern nicht nur ihre Arbeit, sondern enthalten kontraproduktive und einander widersprechende Aufträge. Falsche, weil nicht objektivierbare Leitlinien z.B. in Form des Begriffs „Kindeswohl“ schließen für Kinder wie Erwachsene Voraussehbarkeit und Überprüfbarkeit staatlicher Interventionen aus. Fehlende Ausbildung auf allen für Erfassung, Bewertung und Moderation aktueller Kindsituationen und Elternverhaltens wichtigen Wissenschaftsbereichen erschweren den Richtern ein verantwortliches Handeln und Entscheiden oder schließen es – und damit zugleich ihre fachliche Unabhängigkeit – aus. Für die Kompetenz von Behördenangestellten gilt dies entsprechend. Fehlerhaftes Handeln staatlicher Institutionen setzt generationsübergreifende Wiederholungszwänge in Gang.
Werden Kinder und Jugendliche als den Erwachsenen gleichwertige Grundrechtsträger ernst genommen, verlangt die Situation ein gemeinsames Handeln in unser aller Interesse.
In jedem Fall bedarf es einer unabhängigen, interdisziplinär kompetenten Anwaltschaft für Kinder und Jugendliche, die für die Wahrung ihrer Grund- und Menschenrechte sorgen kann und zu einer entsprechenden Organisation staatlicher Kräfte beiträgt.